Der Handball- und der Eishockeystar über Schmerzen, Überbelastung und den Umgang mit Rückschlägen.

Abendblatt:

Herr Hens, Herr Barta, die wichtigste Frage ist natürlich: Wie geht es Ihnen?

Pascal Hens:

Also, Alex geht es sehr gut, bis auf die Tatsache, dass er 45 Minuten aus der Stadt nach Hummelsbüttel zu diesem Interview-Termin gebraucht hat. Das nervt ihn. Ansonsten ist alles okay. Er bekommt jetzt eine Bandage fürs Knie und wird bald wieder Eishockey spielen können.

Alexander Barta:

Dass Pommes (Spitzname für Hens, die Red.) das Wort für mich ergreift, zeigt mir, dass er wohlauf ist. Er hat ja schon wieder ein paar Minuten auf dem Feld gestanden und sogar ein Tor geworfen. Er ist auf dem richtigen Weg. (Hens nickt).

Abendblatt:

Sie waren beide in den vergangenen zwei Jahren zweimal schwer verletzt und fielen monatelang aus. Kommen Sie da nicht ins Grübeln, ob Sie noch den richtigen Sport betreiben?

Hens:

Wir haben uns beide Sportarten ausgesucht, bei denen es körperlich hart zur Sache geht und bei denen immer mal was passieren kann. Du hoffst einfach, dass es irgendwann mit den Verletzungen reicht und du gesund bleibst. Wenn dann wieder was passiert, kann man es ohnehin nicht ändern. Im ersten Moment bist du schon ziemlich down, frustriert, aber dann willst du dich an die Mannschaft herankämpfen und hast dieses Ziel klar vor Augen. Zuschauen, wie die anderen spielen, fällt jedem Sportler extrem schwer. Du willst dabei sein, helfen, vor allem, wenn es nicht so läuft. Also hakst du die Verletzung ab und tust alles, um schnell fit zu werden.

Barta:

Es war natürlich alles andere als schön mit meinem Oberschenkelbruch, aber mir war bewusst, dass du im Eishockey vor diesen Unfällen nicht gefeit bist. Es war meine erste große Verletzung, ich hatte zuvor acht Jahre lang Glück. Im Eishockey stellt man sich darauf ein, dass auch irgendwann mal das Knie dran ist. Da fällt man nicht aus allen Wolken. Bitter ist natürlich, dass meine beiden Verletzungen so kurz aufeinander folgten. Ich denke, dass die Schulter als nächstes dran sein wird.

Abendblatt:

Schöne Aussichten. Was geht bei Ihnen als Nächstes kaputt, Herr Hens?

Hens:

Ich bin froh, dass die Bänder in meinen Knien noch nichts abbekommen haben. Ein Kreuzbandriss kann immer dein Karriereende bedeuten. Ich habe mir schon mal die Hand gebrochen, einen Finger, das gehört offenbar dazu, alles halb so schlimm. Es klingt zwar jetzt komisch, aber eigentlich bin ich ganz gesund. Hey - und das mit fast 30 Jahren.

Abendblatt:

Ihre zuletzt monatelangen Achillessehnenprobleme waren eine Folgeverletzung Ihres Schienbeinkopfbruches bei den Olympischen Spielen im August 2008 in Peking. Waren Sie zu ungeduldig mit Ihrer Genesung?

Hens:

Eigentlich nicht. Ich war fit, die Ärzte haben grünes Licht gegeben. Vielleicht habe ich es danach übertrieben, als aufgrund möglicher Fehlbelastungen die ersten Schmerzen im Fuß kamen. Aber sportlich lief es bei uns in der vergangenen Saison nicht optimal, da beißt du schon mal auf die Zähne. Ich hätte aber sicherlich im vergangenen Januar nicht die WM in Kroatien spielen sollen. Allerdings spiele ich nun mal sehr gern für die Nationalmannschaft, und wir wollten ja unseren Titel als Weltmeister verteidigen. Ich habe daraus gelernt: Diesmal habe ich auf die EM im Januar 2010 verzichtet. Ich werde nichts übertreiben und behutsam Schritt für Schritt machen.

Barta:

Manchmal ist es schon schwierig, sich in der Reha selbst zu bremsen. Andererseits signalisiert einem der Körper auch, wenn du zu viel machst. Ich spiele ja auch wirklich erst wieder, wenn ich bei 100 Prozent bin. Das Problem ist aber bei mir wie bei Pommes im letzten Jahr: Da es bei uns sportlich mal wieder alles andere als gut läuft, erschwert es das Ganze noch mal. Wenn wir im oberen Tabellendrittel wären, wäre es für mich viel einfacher, in Ruhe zurückzukehren. So mache ich mir den Druck, dass ich so schnell wie möglich auflaufen will, damit ich mithelfen kann, dass wir aus der Krise kommen.

Abendblatt:

Haben Sportler andere Schmerzgrenzen als Normalbürger oder bessere Schmerzmittel? Handballer gelten ja zuweilen als Voltaren-Junkies.

Hens:

Von dem Mittel habe ich noch nie was gehört (lacht). Mein Fuß hält, ich bin das erste Mal seit anderthalb Jahren schmerzfrei. Glauben Sie mir, das ist ein absolut geiles Gefühl.

Barta:

Natürlich kippen wir nicht bei jedem Wehwehchen aus den Latschen. Aber unsere Körper sind unser Kapital, das sollten wir uns immer vor Augen halten. Wenn mein Körper mir in Zukunft signalisiert, dass er eine Pause braucht, werde ich ihm diese auch zugestehen.

Abendblatt:

Herr Barta, Sie gelten in der jetzigen Tabellensituation bei den Freezers-Fans als Heilsbringer. Belastet Sie das?

Barta:

Dass die Leute glauben, dass nach meiner Rückkehr alles besser läuft, macht mich natürlich auch ein wenig stolz. Es wäre wie gesagt leichter, wenn ich in eine Mannschaft zurückkehrte, die oben mitspielt. Zuschauen zu müssen und nicht eingreifen zu können ist einfach die Hölle. Ich bin zwar auf der Tribüne dann eher ruhig, aber es nervt einfach.

Hens:

Zum Glück bin ich im Gegensatz zum Vorjahr in einer komfortablen Situation. Bei uns läuft alles optimal, wir haben in der Bundesliga alle unsere sechs Spiele gewonnen. Die Jungs machen einen Riesen-Job. Da bist du schon ein bisschen entspannter.

Abendblatt:

Dennoch sind Sie am Sonntag gegen Minden früher als erwartet zurückgekehrt. Haben Sie Ihr Comeback genossen?

Hens:

Das war ja, wenn ich unseren Trainer Martin Schwalb richtig verstanden habe, nur ein erster Arbeitsversuch. Die Atmosphäre war großartig. Unsere Fans haben mich schon beim Warmmachen gefeiert. Das sind ganz besondere Momente in deiner Karriere. Das ist Adrenalin pur, da läuft es dir heiß und kalt den Rücken runter. Und als ich eingewechselt wurde, habe ich mich gefreut wie ein Kind zu Weihnachten. Diese emotionale Korrespondenz mit dem Publikum macht unseren Beruf so wunderschön.

Barta:

Die letzten Tage vor einem Comeback sind eher entspannt. Man trainiert und fiebert diesem Tag entgegen. Als ich nach meinem Oberschenkelbruch endlich einlaufen durfte, war es einfach nur ein geiles Gefühl - wie bei Pommes. Man will nur spielen, der Mannschaft helfen und Spaß haben. Die Fans haben damals eine Riesenshow für mich gemacht. Es hat zweieinhalb Stunden durchgehend gekribbelt. Ich habe gleich ein wichtiges Tor erzielt und für mich den Beweis gehabt, dass ich noch Eishockey spielen konnte. Ich wusste ja nicht, wo ich von der Leistung her stand. Ich glaube, ein solch schönes und emotionales Spiel wird so schnell nicht wiederkommen.

Abendblatt:

Handballer und Eishockeyspieler haben einen prall gefüllten Terminkalender. Die Belastungen, denen Sie beide ausgesetzt sind, können nicht gesund sein. Warum solidarisieren sich die Spieler nicht gegen die Willkür der Verbände?

Hens:

Weil diese Solidarität nie zustande kommen würde. Aber in der Tat ist es Schwachsinn, Welt- und Europameisterschaften fast ohne Pausen zwischen den einzelnen Spielen durchzupeitschen. Darunter leiden nicht nur die Spieler. Auch das Niveau, die Spiele werden von Tag zu Tag schlechter.

Barta:

Einige Herren müssen sich mal hinterfragen, ob es Sinn macht, in jedem Jahr eine WM stattfinden zu lassen. Die findet zwar nach der DEL-Saison statt, was sicher Vor- und Nachteile hat. Ich fürchte allerdings, dass Deutschland im Eishockey nicht so viel Einfluss hat, um solche Entscheidungen voranzutreiben.

Abendblatt:

Kommen wir zu Ihren Klubs. Die HSV-Handballer stehen ganz oben in der Tabelle, die Freezers ganz unten. Herr Barta, was können die Freezers von den Handballern lernen?

Hens:

Deutsch!

Barta:

Ich muss Pascal da absolut recht geben. Das ist eine Sache, die ich bei euch Handballern echt bewundere. Ihr habt genauso viele Ausländer im Team wie wir, und eure Spieler können sich spätestens nach einer Saison auf Deutsch verständigen. Das ist klasse. Ich finde es schade, dass es im Eishockey nicht so ist. Bei uns ist die Kabinensprache natürlich Englisch, da Trainer und Manager aus Nordamerika stammen. Ich möchte die Kanadier nicht in Schutz nehmen, aber bei uns ist es sicher schwieriger, Deutsch als Sprache zu etablieren als beim Handball, wo eben alles auf Deutsch passiert.

Hens:

Wir haben es in der Tat einfacher. Handball ist ein traditionelles deutsches Spiel, im Eishockey und Basketball wird sich eben auf Englisch verständigt. Selbst Basketball-Bundestrainer Dirk Bauermann spricht mit seinen Nationalspielern in den Auszeiten Englisch.

Abendblatt:

Herr Hens, werden die Handballer des HSV in dieser Saison endlich Meister?

Hens:

Das wäre für mich die Krönung meiner Laufbahn. Ich bin vor sechs Jahren nach Hamburg gekommen und habe die Entwicklung dieser Mannschaft, dieses Vereins fast von der ersten Stunde an mitgemacht. Wir haben das Zeug, den Titel zu holen, wenn - und damit sind wir wieder beim Thema - wir von weiteren Verletzungen verschont bleiben.

Abendblatt:

Herr Barta, wenn die Freezers Meister werden, lassen Sie sich dann auch eine Frisur wie Pascal Hens schneiden?

Barta:

Hhm. Ich mit Pommes' Frisur? Ach was: Da wir meilenweit von der Meisterschaft entfernt sind, kann ich da problemlos einwilligen.

Hens:

Meine Frisur würde dir sehr gut stehen.