Am 8. Mai stand Kalle Sauerland auf der Stresemannstraße im Feierabendstau, als ihm die Idee kam, die das Profiboxen revolutionieren könnte.

Hamburg. Anstatt am Abend seinen Lieblingsfilm "Braveheart" zu schauen, stellte der 32-Jährige seiner Ehefrau Nathalie stundenlang Fragen, um herauszufinden, ob ein sportinteressierter Mensch wie sie mit seinem Einfall etwas anzufangen wüsste. Noch in der Nacht wusste er, dass er es wagen wollte. Mit Ken Hershman, Geschäftsführer des US-Pay-TV-Senders Showtime, wurde zwei Tage später im Hotel Adlon in Berlin jenes Turnier geplant, das von diesem Sonnabend an die Faustkampf-Fans in seinen Bann ziehen wird: das "Super Six", die Champions League des Boxens. In der Theorie haben viele Boxpromoter ein solches Turnier durchgespielt. Dass es nun umgesetzt wird, ist eine Premiere.

Kalle Sauerland wohnt erst seit vergangenem Jahr mit seiner Ehefrau und den Söhnen John (9) und Nik (1) im Hamburger Westen. Sein Vater Wilfried Sauerland, Chef des gleichnamigen Berliner Boxstalls, war mit seiner damaligen schwedischen Ehefrau und den Söhnen Kalle und Nisse nach London gezogen, als Kalle zwei Jahre alt war. Dort studierte der glühende Fan der Tottenham Hotspur Wirtschaft und Marketing. Über ein Praktikum bei der Sportrechte-Agentur IMG schaffte er den Einstieg ins Sportmanagement. Seit 2008 leitet er den neuen Deutschland-Sitz der Firma Kentaro (70 Mitarbeiter in sechs Ländern) in Hamburg. Sein Fachgebiet ist der Handel mit Fußballrechten, seine Passion das Boxen. "Mir war wichtig, nicht sofort in Vaters Firma einzusteigen, sondern erst auf eigenen Beinen zu stehen", sagt er. Teilhaber beim Sauerland-Stall ist er längst, sein Vater weiht ihn seit Jahren in seine Geschäfte ein. Wenn das Turnier ein Erfolg wird, ist es Juniors Eintrittskarte in den Kreis der großen Box-Promoter.

Um es zu einem Erfolg zu machen, unterschrieben Sauerland, der mit Arthur Abraham und Mikkel Kessler zwei Super-Six-Starter vertritt, seine Promoterkollegen Mick Hennessy (Carl Froch), Gary Shaw (Andre Dirrell), Lou di Bella (Jermain Taylor) und Dan Goossen (Andre Ward) sowie alle Boxer und deren Anwälte ein 36-seitiges Papier namens "Master Tournament Agreement" (MTA), in dem alle denkbaren Streitpunkte geklärt sind. Das MTA legt fest, dass jeder seine persönlichen Sponsoren behalten darf. Es bestimmt die Größe des Rings wie das Kampfgericht, es verpflichtet die Sportler zu strengen Dopingkontrollen, und es sieht hohe Geldstrafen vor, falls jemand aus einem anderen Grund als einer Verletzung aussteigen will.

Wer sich während der Vorrunde verletzt, muss in drei Monaten fit werden; schafft er es nicht, ist das Turnier für ihn beendet. Ersatzgegner stehen fest, ihre Namen sind geheim. Bei Streitigkeiten entscheidet ein Schiedsgericht.

"Wir wollen, dass dieses Turnier für alle ein Gewinn wird", sagt Sauerland. "Für die TV-Sender, weil sie das beste Programm bekommen. Für die Promoter, weil sie gut verdienen. Für die Boxer, weil sie als Sieger neben einer zweistelligen Millionensumme weltweiten Ruhm erhalten. Und für die Fans, die endlich die Kämpfe sehen, auf die sie warten." Dass häufig nur das kolportierte Finanzvolumen von 50 Millionen Dollar thematisiert wird, ärgert Sauerland: "Das Geld ist wichtig, aber den Sportlern geht es vor allem um Ruhm. Bislang hat kein Teilnehmer gefragt, wann er wo gegen wen boxen muss. Das zeigt doch, dass wir es mit wahren Champions zu tun haben."

Der Vorrundenmodus sei gewählt worden, um auch mit einer Niederlage noch Sieger werden zu können. "Alle großen Champions haben verloren, deshalb wollten wir keinen reinen K.-o.-Modus", sagt der Initiator. Die Kritik, dass mit dem Rumänen Lucian Bute (IBF) und dem Magdeburger Robert Stieglitz (WBO) zwei Weltmeister fehlen, lässt Sauerland nicht gelten. "Wir haben die Kämpfer ausgesucht, die in den wichtigsten Märkten USA und Europa das größte Interesse hervorrufen."

Ob er sich ein Turnier wie das "Super Six" für andere Gewichtsklassen vorstellen könnte, möchte Sauerland erst mit der Erfahrung der kommenden Monate beantworten. Zunächst freut sich der "Workaholic", der 90 Stunden pro Woche arbeitet, auf die ersten Schritte seines Babys: "Wenn ich am Sonnabend in Berlin am Ring sitze, werde ich Gänsehaut haben." So wie damals, im Stau auf der Stresemannstraße.