Das Dauerthema Doping lässt den Profiradsport auch zum Saisonende nicht zur Ruhe kommen. In Frankreich schaut man bangen Blickes auf die für morgen erwartete Bekanntgabe der Ergebnisse von Nachtests zur Tour de France 2008, in Deutschland sorgen ARD-Vorwürfe gegen Linus Gerdemann für hektische Betriebsamkeit.

Paris/Hamburg. Dessen Milram-Team und sein Sponsor Nordmilch AG sind in regem Austausch, Experten streiten sich über die Interpretation von Gerdemanns Hämoglobinwerten, und der Bund Deutscher Radfahrer (BDR) fordert den Münsteraner zum Handeln auf. "Für uns gibt es derzeit nichts anderes, als Herrn Gerdemann darauf hinzuweisen, dass er sich sachkundig machen und sich dann äußern soll", sagte BDR-Präsident Rudolf Scharping.

Zuvor hatte Gerdemann in dem am Sonntag ausgestrahlten TV-Bericht Doping entschieden dementiert. Er habe "auf jeden Fall nicht manipuliert. Das kann ich ausschließen", sagte der 27 Jahre alte Milram-Kapitän. Der ARD-"Sportschau" liegt nach eigenen Angaben ein in Hamburg erstelltes Blutgutachten vor, das auf dem Bericht der Freiburger Untersuchungskommission zu Doping im früheren Team Telekom/T-Mobile basiere. Darin soll von Schwankungen der Hämoglobin-Konzentration zwischen 17,2 und 14,2 Gramm pro Deziliter Blut die Rede sein. "Wir kennen nicht die Details der Vorwürfe. Wenn uns die gesamten Fakten vorliegen, werden weitere Schritte folgen", sagte Teamchef Gerry van Gerwen.

Argumentative Schützenhilfe bekommt Gerdemann vom Münsteraner Sportmediziner Klaus Völker. "Solche Schwankungen können auftreten nach einem Infekt oder nach Dehydrierung", sagte er. 2006 fuhr Gerdemann im früheren T-Mobile-Team, dem die Freiburger Kommission in ihrem Abschlussbericht attestiert hatte, von 1995 bis 2006 "systematisch gedopt" zu haben. Gerdemann selbst taucht in dem Papier aber nur einmal auf: "Unter denen, die nicht zu uns gekommen sind", sagte Kommissionschef Hans Joachim Schäfer.

Während unklar ist, ob im Fall Gerdemann jemals Klarheit herrschen wird, stehen die Doping-Ermittlungen rund um die Tour 2008 vor dem Abschluss. Die französische Antidoping-Agentur AFLD will morgen ihren Aktivitätsbericht 2008 und die Bilanz für das erste Halbjahr 2009 präsentieren. "Ich rechne damit, dass einige Namen kommen", sagte der Heidelberger Anwalt Michael Lehner, dessen Mandant Stefan Schumacher in Nachtests zur Tour 2008 positiv auf das EPO-Präparat Cera getestet worden war. AFLD-Präsident Pierre Bordry hatte angekündigt, die Blutproben von 15 Fahrern nochmals testen lassen zu wollen. Laut "Kurier" sollen sogar knapp 40 Fahrer unter Dopingverdacht stehen.