Bevor sie an diesem Abend ins Boot steigen, müssen Christian Ulrich und Thorsten Pieper erst einmal putzen gehen. Vor zwei Wochen ist ihr Achter vom Hänger gefallen und dabei beschädigt worden.

Hamburg. Nun ist er zwar repariert, "aber sicher voller Staub", ahnt Pieper (25). Ballast aber können sich die beiden Studenten vom Hamburger und Germania Ruder-Club nicht erlauben. Am Wochenende steht in Krefeld der sechste, finale Lauf der Bundesliga auf dem Programm. Das etwas lädierte Hamburger Boot liegt aussichtsreich auf Platz zwei, in Schlagdistanz hinter dem Gastgeber, dem "FC Bayern des Ruderns", wie Pieper anmerkt. Noch besser sieht es bei den Frauen aus: Der Hamburger "Alsterachter", den sich die RG Hansa und der RV Wandsbek teilen, steht nach vier Saisonsiegen sogar vor dem Gewinn der Serie - und eines werksneuen Renneiners als Prämie.

Nicht allein deshalb darf man von einem geglückten Start der Bundesliga sprechen. Deren Initiatoren hatten sich zum Ziel gesetzt, die Tradition der Vereinsachter wiederzubeleben. Nicht überall stieß die Idee auf so viel Begeisterung wie an der Alster: "Als ältester Klub Deutschlands wollten wir natürlich unbedingt dabei sein", erzählt Ulrich (26). Während andernorts notgedrungen Renngemeinschaften zusammengeschweißt wurden - sie sind übergangsweise erlaubt -, mussten bei dem Traditionsverein sogar Ausscheidungsrennen für die 16 Plätze im Team ausgefahren werden. Inzwischen sei das Interesse deutschlandweit enorm gestiegen, wie die Hansa-Ruderin und NDR-Moderatorin Juliane Möcklinghoff (30) beobachtet hat: "Nach zwei Rennen waren alle begeistert, da hat ein Umdenken stattgefunden.

Das könnte am Format der Serie liegen. Statt der langatmigen zwei Kilometer werden knackige 350-Meter-Sprints gefahren. "Der Vorteil ist: Es tut erst nach dem Rennen weh", schmunzelt Pieper, "aber es muss jeder Schlag passen." Fünf bis sieben Starts sind pro Wettkampftag zu absolvieren. Da gilt es, mit den Kräften zu haushalten. Zudem sind bis zu vier Auswechslungen pro Wettkampf möglich. "Dieser taktische Aspekt hat seinen ganz eigenen Reiz", findet Nora Wehrhahn (27), die Teamchefin des Alsterachters. Es mischen einige Medaillengewinner großer Meisterschaften mit. Und die Zuschauer - in Leer waren es zuletzt 2000 - können in einer "Boxengasse" einen Blick hinter die Kulissen werfen. Am Saisonende müssen drei der 16 Männerteams in die Zweite Liga absteigen - bei den Frauen fehlt mit insgesamt acht Teams dafür noch die Masse.

Auch in den Verbänden entdeckt man die Möglichkeiten. Beim Weltcup in München wird im kommenden Jahr erstmals ein Sprintwettkampf ins Programm genommen. Auf der Alster ist ebenfalls eine Regatta geplant. 2010 soll es für den Liga-Champion sogar einen neuen Achter als Siegespreis geben. Wenn das für die Hamburger-und-Germania-Jungs kein Grund ist, sich in die Riemen zu legen!