Nach dem Gewinn des Supercups gegen den THW steigt die Vorfreude auf die Bundesliga. Sportchef Christian Fitzek und tritt auf die Euphoriebremse.

Nürnberg. Eine für die Verspätung: Der HSV-Trainer hatte sich Autogramm für Autogramm durchs Spalier der Handballfans in der Nürnberger Arena gearbeitet und darüber wohl die Zeit vergessen. Die zweite für die Auszeit, die er kurz vor Ende des Supercups gegen den THW Kiel genommen hatte. Sie hatte die Spieler des deutschen Meisters erzürnt, weil ihre klare, ja demütigende Niederlage längst besiegelt gewesen war. Aber so weit wollte Schwalb in dem Moment gar nicht gedacht haben. "A bissel doof" sei die Aktion gewesen: "Es sollte nicht respektlos sein."

Was Schwalb nicht erzählte, war, dass die Auszeit im Grunde gar nicht seine Entscheidung war. HSV-Präsident Andreas Rudolph hatte ihn lautstark dazu aufgefordert, weil er nach drei Kieler Gegenstoßtoren noch einmal um den Sieg gefürchtet hatte. Das ganze Spiel über hatte Rudolph hinter der Bank gelauert. Er hatte Anweisungen gegeben, Komplimente verteilt, aufgemuntert, gegen die Schiedsrichter geschimpft. Und als Torsten Jansen beim Stand von 35:28 die Uhr herunterzählen ließ, da eilte Rudolph gelöst und strahlend aufs Parkett, um sich mit seinen Spielern abzuklatschen.

"Schön, dass uns die Kieler auch einmal beim Jubeln zuschauen", feixte der HSV-Boss. Das Protokoll hatte es so gewollt, dass die THW-Spieler bei der Siegerehrung am Podium vorbeidefilieren und den Nordrivalen gratulieren mussten. Wie gut es dem fast schon ewigen Zweiten aus Hamburg getan haben muss, dort oben zu stehen und die Ovationen entgegenzunehmen, "das kann man gar nicht in Worte fassen", gab der sportliche Leiter Christian Fitzek zu. Auch diese Sehnsucht erklärt die Hingabe, mit der die Hamburger um diesen kleinen Titel kämpften, wenngleich ein Sieg beim Bundesligaauftakt am Sonntag beim TV Großwallstadt "viel wichtiger wäre", wie Jansen klarstellte.

Sie erklärt auch die Erregung, mit der sich Rudolph am Dienstag ins Coaching einschaltete. Jahr um Jahr hat er dem Marktführer aus Kiel den Kampf angesagt, hat er mehr Geld und Leidenschaft in seine Mannschaft investiert, die er umhegt wie einen Privatschatz; Jahr um Jahr ist der HSV gescheitert, manchmal äußerst knapp, zuletzt sehr deutlich. Die Enttäuschungen der vergangenen Saison haben Rudolph nach außen vorsichtiger gemacht; nach dem blamablen Halbfinalaus im DHB-Pokal im Frühjahr hat er sich selbst einen Maulkorb verpasst. Aber sie haben sein Streben nach einem großen Titel - Meisterschaft oder Champions League - sogar verstärkt. Rudolphs medienwirksam verkündetes Vorhaben, die Kosten um eineinhalb Millionen Euro zu senken, ist längst ins Gegenteil verkehrt. Noch einmal hat der 54 Jahre alte Medizinunternehmer einen Millionenbetrag seiner Privatmittel in sportliches Kapital umgeleitet. Er hat zwei Lichtgestalten des Welthandballs, die Kroaten Igor Vori und Domagoj Duvnjak, verpflichtet und seine Mannschaft damit zur mutmaßlich teuersten der Welt hochgezüchtet. Und er hat trotz Zweifeln an Schwalb als Trainer festgehalten.

Nicht nur Rudolph weiß um die vielleicht einmalige Chance, die sich in dieser Saison bietet. Kiel ist nach den Abgängen von Stefan Lövgren, Nikola Karabatic und Vid Kavticnik noch auf der Suche nach der Balance. Trainer Alfred Gislason gab sich am Dienstag zwar "ziemlich optimistisch", das Führungsvakuum zu füllen, aber er wird dazu mindestens Zeit brauchen. Die einstige Stärke des THW, das fast blinde Verständnis im Spiel nach vorn, erlebten am Dienstag bis zu 410 000 DSF-Zuschauer als Stärke des HSV. "Wir sind nicht sieben Tore besser als Kiel", relativierte Fitzek, "aber zumindest auf dem gleichen Sockel."

Nun muss man nur noch den Rivalen herunterstoßen.

Aktuelle News, Ergebnisse und Hintergrundberichte rund um das Thema HSV Handball und aus der Handball Bundesliga per SMS-Dienst auf Ihr Handy.