Von wegen Krise: Das Geschäft boomt. Zum Saisonstart treffen sich beim Supercup heute gleich die teuersten Spieler der Welt.

Hamburg. Für den heutigen Abend hat sich Guillaume Gille schon vor zehn Tagen mit Daniel Narcisse verabredet. Gille, Kapitän des HSV Hamburg, traf damals seinen Kollegen aus der französischen Handballnationalmannschaft bei einem Turnier in Straßburg. "Ich sagte ihm: Scheiße, jetzt müssen wir dich wieder aus dem Weg räumen", erinnert sich Gille. Narcisse trat damals noch für Chambéry Savoie an. Aber Gille ist Profi genug, um die Gesetze des Marktes zu kennen. Und so läuft Narcisse schon heute in Nürnberg beim Supercup für den THW Kiel auf (20.15 Uhr/DSF).

Eine Million Euro Ablöse soll der deutsche Meister für den 29-Jährigen gezahlt haben. Narcisse, Weltmeister und Olympiasieger, könnte damit auch den Titel des teuersten Handballers der Welt beanspruchen - hätte der HSV nicht kurz zuvor den Kroaten Domagoj Duvnjak (21) für eine ähnliche Summe aus seinem Vertrag in Zagreb losgekauft. Das Duell um den ersten Titel der Saison wird zum Millionenspiel.

Es ist schon bemerkenswert: Mitten in der Wirtschaftskrise dringt die wahrscheinlich stärkste Liga der Welt in eine neue finanzielle Dimension vor. Mit insgesamt 68,55 Millionen Euro liegen die Budgets der 18 Klubs auf Rekordniveau. "Ich kann nicht erkennen, dass der Handball von der Krise betroffen ist", sagt Bundesliga-Präsident Reiner Witte im Abendblatt-Gespräch: "Die Zuschauerzahlen sprechen für sich, die TV-Präsenz ist so hoch wie noch nie." 91 Spiele überträgt allein das DSF live. Das Korruptionsbeben, das im Frühjahr die Handballwelt erschütterte, beschäftigt scheinbar nur noch die Kieler Staatsanwälte, nicht aber die Fans: Mit 1,47 Millionen Besuchern wurde der Rekord der Saison 2007/08 (1,49 Millionen) nur knapp verfehlt.

Allerdings öffnet sich die Schere zwischen den Klubs weiter. Während Kiel, Hamburg und die Rhein-Neckar Löwen ihren Etat auf sieben Millionen Euro und mehr beziffern, müssen die sechs Klassenletzten mit weniger als 2,5 Millionen Euro auskommen. Witte beobachtet die Entwicklung "mit einer gewissen Skepsis: Wir wollen keine spanischen Verhältnisse, wo am Ende immer die gleichen Vereine oben stehen."

Die wirtschaftlichen Gefahren sind noch größer. In der vergangenen Saison übernahmen sich zwei Vereine, Nordhorn und Essen, und mussten Insolvenz anmelden. Die Liga verschärfte daraufhin das Lizenzierungsverfahren. Die Probleme blieben: Die SG Flensburg-Handewitt hat ihre Spieler kürzlich zu einem Gehaltsverzicht von 15 Prozent gedrängt. EHF-Pokal-Sieger VfL Gummersbach ist - trotz 600 000 Euro Einnahme für den Verkauf seines Stars Momir Ilic an Kiel - mit den Gehältern in Rückstand.

Wolfgang Gütschow zeigt dafür wenig Verständnis. "Zwei Monate vorher hat der Verein noch neue Spieler verpflichtet", wundert sich der Spielerberater, zu dessen Kunden die HSV-Nationalspieler Pascal Hens, Oleg Velyky und Stefan Schröder zählen. Man habe offenbar nach dem Prinzip Hoffnung kalkuliert: "Das ist kaufmännisch nicht solide."

Die extremen Ausschläge bei den Transfers hält Gütschow für marktüblich: "Es ist offenbar deutlich mehr Geld da als gute Spieler." Er beobachtet einen Trend hin zu mehr Qualität: Viele Klubs hätten ihre Kader verkleinert, um Kosten zu sparen. Das mache es durchschnittlichen Profis schwierig, einen Arbeitsplatz zu finden. Umso höher sei die Nachfrage nach Ausnahmekönnern wie Duvnjak, Narcisse oder dem Isländer Olafur Stefansson (36), den die Löwen unter Vertrag nahmen. Letztlich, glaubt Christian Fitzek, der sportliche Leiter des HSV, seien die Starimporte gut für die Liga: "Unsere Spieler füllen die Hallen, davon profitieren auch die anderen Vereine."