Helden des Moments sind sie alle. Doch stellt sich nach Abschluss der Leichtathletik-Weltmeisterschaften in Berlin die Frage, welche Athleten das Potenzial haben, sportliche Höchstleistungen in lukrative Werbeverträge umzuwandeln.

Usain Bolt macht es vor. Der jamaikanische Sprintkönig ist laut, cool, trendy und vor allem medienaffin. Das kommt an. Er wird seine Leistung in sogenannte Testimonialdeals umwandeln. So läuft das Geschäft.

Und die Deutschen? Wer nach lukrativen Werbeverträgen ruft, sollte zunächst die Gesetze des Marktes und vor allem sein eigenes Profil überprüfen. Werbeverträge richten sich heute nach dem Bekanntheitsgrad, der Aktualität (auch zwischen den Großveranstaltungen!), konkreten Imageprofilen und Zielgruppenüberschneidungen mit den potenziellen Partnern aus der Industrie. Attraktive Verlierer lassen sich nicht selten besser vermarkten als nichtssagende Gewinner.

Die Hochspringerin Ariane Friedrich ist auch ohne Gold eine Gewinnerin. Sie ist modern, selbstbewusst, flippig und hat den Look. Ihre attraktive Dauerrivalin Blanca Vlasic sorgt im Zusammenspiel mit Friedrich für die Geschichten auch über den Wettkampf hinaus. Das ist der Boden für einen Status, der Werbeverträge möglich macht. Steffi Nerius brachte uns einen Hauch von Hollywood - der erste WM-Titel im Speerwurf mit 37 Jahren und im letzten Wettkampf ihrer Karriere. Sie wird nun Behindertensportler unterstützen, das sorgt für Glaubwürdigkeit gerade im Zusammenhang mit Kampagnen mit sozialem Hintergrund. Und dann Robert Harting. Diskuswerfer und Goldmedaillist, aber auch Quertreiber mit eigenen Ansichten über frühere Dopingopfer der DDR. Er ist authentisch. Das bleibt hängen, vor allem in den jungen Zielgruppen.

Mit der Siebenkämpferin Jennifer Oeser hat eine weitere Deutsche die WM geprägt. Die Dramatik des Moments war unschlagbar. Gestürzt beim abschließenden 800-Meter-Lauf - und dann doch noch Silber geholt. Das bleibt in Erinnerung. Doch wie lange? Welches konkrete Bild werden die Menschen von Oeser, Betty Heidler (Hammer-Silber), Nadine Kleinert (Kugel-Silber), Raúl Spank (Hochsprung-Bronze) oder Ralf Bartels (Kugel-Bronze) in drei Monaten haben oder in einem Jahr? Wofür werden sie stehen? Was differenziert sie gegenüber ihrer Konkurrenz?

Beginnen wir mit ihrer Zielgruppe. Die meisten Leichtathletik-Disziplinen gelten als unverdächtig, Menschenmassen jahresübergreifend zu begeistern. Eine Bühne gibt es ausschließlich in Zeiten von Olympia oder WM. Anders als Fußballprofis oder Formel-1-Fahrer müssen die Leichtathleten zwischen den Wettkämpfen eine Bühne schaffen, die nicht in ihrer Sportart, sondern vielmehr in ihrer Person begründet ist. Es muss ihnen gelingen, ein Interesse zu wecken und die Menschen außerhalb sportlicher Themen mitzunehmen. Nur ein klares und langfristiges Markenmanagement mit authentischen öffentlichen Auftritten kann diesen Weg planbar und nachhaltig gestalten.

Ein weiter Weg, für den ebenso viel Disziplin notwendig ist wie im Sport. Dafür braucht man Motivation, sich zu zeigen und etwas von sich preiszugeben. Diejenigen, denen das spielerisch gelingt, die mit Leichtigkeit den Menschen auch abseits des sportlichen Geschehens Geschichten geben, die diese berühren und begeistern, und die sich selbst dabei treu bleiben, das sind die Gewinner auch außerhalb der Arena. Helden des Moments sind sie alle. Was jetzt kommt, bleibt abzuwarten.

Sven Müller ist Geschäftsführer der Vermarktungsagentur People Brand Management.