Als im Olympia-Finale von Peking seine weiße Surferkette riss, er die Partie gegen Spanien ohne seinen Glücksbringer beenden musste und trotzdem später als jüngster Deutscher bei den Spielen Gold in den Händen hielt, wusste Tobias Hauke: Es geht auch ohne.

Amstelveen. Ein wenig abergläubisch ist der Hockey-Nationalspieler dennoch geblieben. So wird sein Gesicht derzeit immer stoppeliger, weil sich ein Großteil der deutschen Herren bis zum Ende der Europameisterschaft in den Niederlanden einen Bart verordnet hat. Frei nach dem unter Sportlern gängigen Motto: Wer rasiert, verliert. "Bei mir gibt es nur das Problem", sagt der 21-Jährige lächelnd, "dass an den Seiten kaum etwas wächst."

Auch die mittlerweile neu aufgezogene Kette wird er wieder tragen, wenn es heute (19 Uhr) im Amsterdamer Vorort Amstelveen für das Team des in Harburg lebenden Bundestrainers Markus Weise im EM-Halbfinale erneut gegen die Spanier geht. Abgesehen von Halsschmuck und Gegner haben sich für den beim Harvestehuder THC aufgewachsenen und mittlerweile für Meister Rot-Weiss Köln spielenden Hauke seit Olympia aber viele Vorzeichen geändert. Nur noch zehn von 17 Goldmedaillengewinnern stehen im deutschen EM-Kader. Konnte er sich in Peking weitgehend auf sein eigenes Spiel konzentrieren, muss der Hamburger nun mehr Verantwortung für die ganze Mannschaft übernehmen. "Als Spielmacher im zentralen Mittelfeld stehe ich da ohnehin in der Pflicht", sagt der BWL-Student, "ich denke, dass ich die Rolle vernünftig ausfülle, es aber noch Potenzial nach oben gibt."

Bundestrainer Weise, der Hauke unter anderem wegen dessen Ballkünsten schätzt, traut dem Hallen-Weltmeister von 2007 den Status als Führungsspieler zu - er hat auch keine andere Wahl. Hauke steht stellvertretend für das Dilemma, in dem die deutschen Hockey-Herren stecken. Seit dem Triumph bei der Heim-WM 2006 ist der Status Neuaufbau ein Dauerzustand. Im Gefühl auf dem Höhepunkt abzutreten, zogen sich jeweils mehrere Leistungsträger aus dem Nationalteam zurück; auch um sich mangels finanzieller Erträge durch den Sport fortan verstärkt dem Berufsleben zu widmen. Nach Olympia dankten daher unter anderem die Hamburger Sebastian Biederlack (27, Alster) und Carlos Nevado (26, UHC) frühzeitig ab.

Die Folge war eine weitere Zwangsverjüngung: Keiner im EM-Kader ist über 30, Ersatztorwart Tim Jessulat (Alster) mit 29 der Älteste. Sieben Spieler sind nun unter 23, der Nürnberger Verteidiger Maximilian Müller trägt mit 22 Jahren die Kapitänsbinde. Dass sich die neue Elf erst noch finden muss, zeigten die drei Vorrundenspiele gegen Belgien (3:2), England (4:4) und Österreich (3:1), in denen die Deutschen nur phasenweise überzeugten. "Um gegen Spanien zu bestehen, müssen wir uns um 180 Grad drehen", meint Hauke. Wie sein Coach, der dem Team "Potenzial für Außergewöhnliches" attestiert, traut er sich und seinen Mannschaftskameraden die Kehrtwende zu. Der Bart bleibe bis Sonntag dran, verspricht Hauke. Erst nach der Finalteilnahme werde sich wieder rasiert.