Zum Abschluss ihrer Karriere hat Steffi Nerius als erste deutsche Frau Speerwurf-Gold bei einer Leichtathletik-Weltmeisterschaft gewonnen.

Berlin. Steffi Nerius reckte die Arme in den Himmel von Berlin, schlug fassungslos die Hände vors Gesicht und riss im Überschwang der Gefühle das Maskottchen Berlino zu Boden. Die 37 Jahre alte Leverkusenerin ist zum Abschluss ihrer Karriere als erste deutsche Speerwurf-Weltmeisterin in die Leichtathletik-Geschichte eingegangen. Mit dieser Sensation versetzte sie die 35000 Zuschauer im Olympiastadion in einen Freudentaumel. 16 Jahre nach ihrer ersten WM-Teilnahme 1993 in Stuttgart schleuderte Nerius ihr Wurfgerät gleich im ersten Versuch auf 67,30 hinaus. „Einfach gigantisch, einfach nur geil, Wahnsinn! Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll“, jubelte Steffi Nerius nach ihrem Gold-Coup.

Zum Heulen zumute war Christina Obergföll: Die zweimalige Vize- Weltmeisterin konnte sich auch am Dienstagabend nicht aus ihrer Formkrise herauskämpfen und enttäuschte als Fünfte mit schwachen 64,34 vor Nerius’ Teamkollegin Linda Stahl. Die gefeierte Siegerin ließ selbst Titelverteidigerin, Olympiasiegerin und Weltrekordlerin Barbora Spotakova (66,42) aus Tschechien hinter sich. Die Russin Maria Abakumova, mit 65,39 Meter Dritte, konnte nicht an ihre starke Vorstellung aus dem Vorkampf anknüpfen.

Nerius hingegen holte ihre siebte Medaille bei großen Meisterschaften. „Sie ist eine absolute Kämpferin“, meinte ihr Trainer Helge Zöllkau kopfschüttelnd und nahm seinen Schützling ganz fest in die Arme. „Danke, dem Publikum“ stand auf einem schwarzen T- Shirt, das Nerius auspackte. Dann machte sie sich als erste Weltmeisterin des Gastgebers auf die Ehrenrunde. Auf einem Plakat stand: „Lass ihn fliegen – heute ist dein Tag.“

„Berlin – macht Rabatz!“, hatte auf Nerius’ weißem Stirnband gestanden. Aber für Stimmung sorgte sie schon selbst. Gleich zum Auftakt riss die Europameisterin das Publikum mit und die Arme hoch. „Der erste Wurf hat sich super angefühlt“, sagte Steffi Nerius.

Vor ihren letzten internationalen Titelkämpfe hatte sie nur eine Wunsch: „In Berlin will ich den Wettkampf genießen. Ein Traum wäre aber eine Medaille, egal, welche Farbe sie hat. Es wäre der perfekte Abschluss für mich.“ Und so kann die Diplom-Sportlehrerin, die am 1. Oktober einen Fulltime-Job in der Behindertensport-Abteilung bei Bayer Leverkusen antritt, auf einem Höhepunkt ihrer Karriere abtreten

- was nur wenigen Leichtathleten gelingt. Es war der größte Erfolg der Olympia-Zweiten von 2004.

Bei Obergföll setzte sich hingegen die Entwicklung der vergangenen Wochen fort. Die Olympia-Dritte stand mit ihren 68,59 Metern vom 20. Juni bei der Team-EMam 20. Juni in Leiria/Portugal bis zur WM- Qualifikation an der Spitze der Weltbestenliste: Da schleuderte Abakumova das Wurfgerät auf 68,92 hinaus. Doch je länger die Saison dauerte, desto kürzer flog ihr Speer. Eine Zerrung in der Muskulatur zwischen den Rippen hatte sie behindert. Im Trainingslager in Kienbaum hatte die 27-Jährige ihr Lächeln wieder gefunden und als „Kapitän“ der deutschen Mannschaft Optimismus versprüht. Doch am Ende ging fast nichts.

Dabei klebt in ihrer Wohnung in Offenburg am Kühlschrank ein Zettel: „2009 wird dein Jahr.“ Privat, hatte Obergföll schon vor der verkorksten WM gesagt, wird es das auf jeden Fall: Dazu hat ihr neuer Lebensgefährte Boris Henry wesentlichen Anteil. Der frühere Weltklasse-Werfer und heutige Männer-Bundestrainer war am Dienstagabend jedoch ebenso wie ihr Trainer Werner Daniels als Seelentröster gefragt. dpa/abendblatt.de

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