Der 22-Jährige besiegt über 200 Meter Freistil US-Superstar Michael Phelps. Helge Meeuw holt Silbermedaille über 100 m Rücken.

Rom. Paul Biedermann reckte die Siegerfaust in den strahlend blauen Abendhimmel von Rom und ließ sich von 15 000 ausgelassenen Zuschauern im Foro Italico feiern: Deutschlands neuer Supermann hat das Gigantenduell gegen Michael Phelps gewonnen und den 14-maligen Olympiasieger aus den USA über 200 Meter Freistil mit dem Fabel-Weltrekord von 1:42,00 Minuten entzaubert. "Das ist das Größte. Ein Traum ist wahr geworden", jubelte Biedermann nach dem Triumph im Kräftemessen mit dem gestürzten Giganten, und Franziska van Almsick meinte als ARD-Expertin: "Paul ist mit Sicherheit der neue Star. So klar hätte ich das nicht erwartet. Mir fehlen die Worte."

Garniert wurde der deutsche Erfolg durch die Silbermedaille von Helge Meeuw über 100 Meter Rücken. "Das ist sensationell. Damit hätte ich nie und nimmer gerechnet", sagte der 24 Jahre alte Frankfurter, der in 52,54 Sekunden 28 Hundertstel nach dem Japaner Junya Koga anschlug.

Während sich Phelps nach dem abrupten Ende seiner fünfjährigen Siegesserie enttäuscht die Badekappe vom Kopf riss, mit leerem Blick aus dem Becken stieg und ein kurzes "Good Race" dem Sieger zuwarf, ging Biedermanns Blick hoch zur Tribüne, wo seine Familie und Freundin mitgefiebert hatten. "Das ist einfach Wahnsinn. Wir lieben unseren Paul", sagte Oma Annemarie einen Tag nach ihrem 73. Geburtstag mit Tränen in den Augen.

1:42,00 Minuten leuchteten auf der Anzeigetafel. 96 Hundertstel schneller als der alte Weltrekord von Phelps bei den Olympischen Spielen im August 2008 in Peking. Mit mehr als einer Körperlänge distanzierte Biedermann seinen Widersacher auf dessen Spezialstrecke, der erst 1,22 Sekunden später ankam. Eine kleine Demütigung.

"Michael war beim Start und an den Wenden schneller. Ich wusste, dass ich ihn auf der Strecke schlagen musste", erklärte Biedermann, der sogar Mitgefühl mit Phelps hatte: "Er ist nach Peking mit Sicherheit noch nicht in Topform. Das ist noch nicht wieder der alte Michael Phelps."

Auch Doppel-Olympiasiegerin Britta Steffen war als Zuschauerin am Beckenrand ergriffen: "Jemanden so vorzuführen, der ein Übermensch ist, ist einfach unglaublich. Wenn der dann noch aus dem eigenen Team kommt - wow. Das ist einer der schönsten sportlichen Tage in meinem Leben." Bundestrainer Dirk Lange (siehe auch Gastbeitrag unten) bemerkte nur kurz und trocken: "Deutschland hat sich auf der Weltbühne des Schwimmens zurückgemeldet. Man bemerkt uns wieder."

Biedermann erfüllte sich mit dem Coup einen Lebenstraum. Zwei Tage zuvor hatte der 22-Jährige aus Halle an der Saale über die doppelte Distanz gewonnen und dabei den sieben Jahre alten Weltrekord des Australiers Ian Thorpe unterboten. Phelps zeigte im ungewohnten Moment der Niederlage Größe und erwies sich als fairer Verlierer. "Das war der härteste Tag meines Lebens. Man muss anerkennen, dass Paul der Bessere war. Er hat ein starkes Jahr. Ich war hier nicht in der Lage, ihm Paroli zu bieten. Glückwunsch", sagte der entthronte Superstar, der seit Olympia 2004 in Athen auf dieser Strecke ungeschlagen war. Der 24-Jährige gestand aber auch ein: "Mit solch einer Zeit von Paul hatte ich nicht gerechnet. Sie wird in den nächsten Jahren kaum zu unterbieten sein." Dass seine Leistungen in Rom Dopingspekulationen auslösen, wunderte Biedermann nicht: "Das ist leider das Grundmisstrauen im heutigen Sport, und ich kann niemandem verübeln, dass er auf solche Gedanken kommt. Ich kann dagegen immer nur wieder betonen: Ich werde regelmäßig kontrolliert, im Training auch auf Blut. Ich bin sauber."