Der 25 Jahre alte Kohlschreiber spricht über seine Rolle im Daviscup-Team, seine Motivation bei deutschen Turnieren und seine Ratschläge für den Rothenbaum.

Abendblatt:

Herr Kohlschreiber, wie fühlt man sich als deutscher Tennisheld, der im Daviscup zwei spanische Topspieler in deren Heimat auf deren Lieblingsbelag Sand besiegt hat?

Philipp Kohlschreiber:

Ich fühle mich nicht als Held. Vielmehr überwiegt die Trauer darüber, dass wir trotz meiner Siege nicht gewonnen haben.

Abendblatt:

Waren die Siege gegen Verdasco und Robredo Ihr endgültiger Durchbruch zur Nummer eins im deutschen Daviscup-Team?

Kohlschreiber:

Ich habe nie in diesen Kategorien gedacht. Wir haben vier gleichberechtigte Spieler im Team, eine Nummer eins gibt es nicht.

Abendblatt:

Das heißt, Sie würden sich unterordnen, wenn ein Tommy Haas auf einmal doch wieder Lust hätte, für Deutschland zu spielen?

Kohlschreiber:

Eben weil wir gleichberechtigt sind, müsste ich mich nicht unterordnen. Wichtig ist, dass ich mir durch meine Auftritte im Daviscup eine gute Position erarbeitet habe.

Abendblatt:

Es gab viel Kritik an Daviscup-Teamchef Patrik Kühnen, dass er die Debütanten Mischa Zverev und Andreas Beck spielen ließ. Haben Sie Haas, der ja in den vergangenen Monaten in Topform war, auch vermisst?

Kohlschreiber:

Vielleicht hätte er uns geholfen, aber es ist müßig, darüber zu reden, denn Tommy wollte wegen seiner Schulterprobleme nicht auf Sand antreten. Das muss man akzeptieren. Mischa und Andi haben sich durch ihre Leistungen angeboten, sie haben ihren Einsatz verdient. Und ich denke, dass wir als Team erhobenen Hauptes aus Spanien zurückkehren konnten.

Abendblatt:

Am Dienstag sind Sie mit einem lockeren Sieg über den Argentinier Junqueira in das Turnier in Stuttgart gestartet. Müdigkeit nach dem überragenden Daviscup-Wochenende ist also nicht zu spüren?

Kohlschreiber:

Ich bin schon müde, aber ich habe die Verpflichtung, bei den deutschen Turnieren meine beste Leistung abzurufen. Da darf Müdigkeit keine Rolle spielen.

Abendblatt:

In der kommenden Woche schlagen Sie am Hamburger Rothenbaum auf. Ist der Start bei den deutschen Turnieren nur eine Pflicht oder für Sie auch Herzensangelegenheit?

Kohlschreiber:

Ganz klar Letzteres. Für mich ist es ein großer Spaß, in Deutschland zu spielen. Deutschland ist für uns deutsche Profis das wichtigste Schaufenster. Hier können wir uns präsentieren, hier haben wir einen Heimvorteil. Ich will mit guten Leistungen helfen, Tennis in Deutschland wieder populärer zu machen.

Abendblatt:

Ärgern Sie sich darüber, dass Tennis in Deutschland noch immer kaum wahrgenommen wird, obwohl die Deutschen hinter Spanien die meisten Top-100-Spieler haben?

Kohlschreiber:

Natürlich ärgert es mich, und ich finde es auch ungerecht, weil ich das Gefühl habe, dass bei uns häufig nur nach dem Negativen gesucht wird. Für junge Spieler ist das bitter. Aber ich habe es akzeptiert und weiß, dass nur Erfolge helfen, um das zu ändern.

Abendblatt:

Am Rothenbaum werden Sie als Mitfavorit auf den Titel gehandelt. Ist das Ansporn oder Last?

Kohlschreiber:

Das Feld ist, obwohl Hamburg den Mastersstatus verloren hat, noch immer stark. Deshalb ist es für mich eine Ehre, dass man mir so viel zutraut. Ich weiß jedoch, dass ich mir dieses Standing an jedem Tag neu erarbeiten muss.

Abendblatt:

Welchen Stellenwert hat das Turnier am Rothenbaum für Sie, nachdem es in den vergangenen Jahren häufig mit Finanzproblemen statt Sport in den Medien war?

Kohlschreiber:

In den vergangenen Jahren war der Rothenbaum wirtschaftlich leider ein Minusgeschäft. Deshalb stellt sich für mich die Frage, ob es sinnvoll ist, dass der Deutsche Tennis-Bund versucht, den Mastersstatus einzuklagen. Natürlich ist es schade, dass die Besten der Welt jetzt nicht mehr teilnahmeverpflichtet sind. Aber das kann ja auch eine Chance sein. Natürlich ist es toll, wenn Roger Federer und Rafael Nadal hier im Halbfinale stehen. Aber mir ist es lieber, wenn sie nicht da sind. Das erhöht meine Chancen. Es wäre doch viel überraschender, wenn es mal zwei von uns schaffen. Und ich bin mir sicher, dass die Fans das honorieren würden. Deshalb glaube ich, dass der DTB darauf setzen sollte, dieses ruhmreiche Turnier mit dem jetzigen Status zu einem Super-Event auszubauen. Wenn das geschafft ist, kann man sich auf ganz anderer Basis um einen Mastersstatus bewerben.

Abendblatt:

Der Rothenbaum war gerade wieder in den Schlagzeilen, weil der geplante Hauptsponsor, ein österreichischer Wettanbieter, in Hamburg nicht werben darf. Haben Sie dafür Verständnis, gerade weil Sie im Jahr 2007 selbst beschuldigt wurden, auf Tennisspiele zu wetten?

Kohlschreiber:

Ich würde Wetten auf Tennisspiele verbieten. Jedoch halte ich ein generelles Wettverbot auch nicht für praktikabel, zumal die Firmen für die schwarzen Schafe nichts können. Im Fall Hamburg glaube ich, dass der Werbeeffekt für die Firma größer war als wenn sie normal als Hauptsponsor aufgetreten wäre.

Abendblatt:

Was ist aus den Vorwürfen gegen Ihre Person geworden?

Kohlschreiber:

Ich war damals sehr enttäuscht, dass eine bis heute unbekannte Person diese Bühne bekommen hat, um mir mit haltlosen Vorwürfen zu schaden. Ich habe alles unternommen, um dagegen vorzugehen. Aber als meine Position bestätigt wurde und ich wusste, dass mein Name auf keiner Liste der ATP auftaucht, war ich beruhigt. Von da an war das Thema für mich beendet.