Ballast ist auch in der Formel 1 meist von Nachteil. Folglich soll der Chefkonstrukteur beim Formel-1-Rennstall Red Bull nicht besonders glücklich sein über die etwa 30 Zentimeter lange Schiene, die der Fahrer Mark Webber mit sich im Cockpit herumfährt, wie Teamchef Christian Horner mit gespieltem Ernst anmerkt. Britischer Humor?

Nürburgring. Das Stück Titan in Webbers Schienbein wiegt nur ein paar hundert Gramm.

Das Bein Webbers, der am Sonntag auf dem Nürburgring im 130. Anlauf den ersten Grand-Prix-Sieg seiner Karriere errang, wird noch ein knappes Jahr künstlich fixiert. Im November 2008 war Webber bei einem Wohltätigkeitsrennen auf Tasmanien im Sattel seines Mountainbikes frontal mit einem Auto zusammengestoßen. Er brach sich mehrfach das Schienbein und erlitt einen Trümmerbruch in der Schulter. Noch immer humpelt der 32-jährige Australier etwas, wenn er vom Motorhome in die Garage huscht. Dann grummelt er: "Dieses verdammte Titan."

Nur das beste Material stellt das Team mit Sitz im englischen Milton Keynes seinen Piloten zur Verfügung. 20 Punkte haben sie mit Doppelsiegen in Silverstone und auf dem Nürburgring auf die noch vor drei Rennen übermächtigen Brawn-Mercedes aufgeholt. Und sie haben in Webber und Sebastian Vettel zwei nahezu gleichwertige Fahrer. Der deutsche Aufsteiger führt nach Webbers Sieg im teaminternen Duell mit anderthalb Punkten.

Anders als bei den Rivalen von Brawn, wo Rubens Barrichello sich erneut über eine vermeintliche (offiziell ja auch verbotene) Benachteiligung gegenüber dem WM-Führenden Jenson Button beklagte ("Wenn wir so weitermachen, verlieren wir noch die WM"), hat keiner der beiden Red-Bull-Piloten einen Nummer-eins-Status sicher: "Wir haben ein Luxusproblem", sagte Webber. "Es ist eine Teammeisterschaft. Erst in den letzten drei oder vier Rennen wird es vielleicht auf einen von uns hinauslaufen, wenn wir eine Chance haben, gegen Jenson zu kämpfen."

Noch aber hat der Brite 21 Punkte Vorsprung auf Vettel, der in der Eifel erstmals das Gefühl kennenlernte, vom Stallgefährten besiegt worden zu sein. Vettel tröstet, dass seine Titelaussichten plötzlich wieder rosig sind. "Das Pendel schlägt auf unsere Seite aus. Adrian Newey hat ein sensationelles Auto gebaut."

Stardesigner Newey wird im Fahrerlager bestaunt wie der zweite Einstein: "Manchmal müssten meine Tage 36 Stunden haben, damit ich meine Ideen verwirklichen kann", sagt er. "Erst jetzt habe ich das Auto völlig verstanden."

Beim Grand Prix von Ungarn in zwei Wochen wird sich zeigen, ob er Recht behält. Bisher düpierte sein Red Bull die Konkurrenten lediglich auf kaltem Asphalt. "Wir haben einen Entwicklungsvorsprung und sind zuversichtlich, diesen zu verteidigen", sagt Newey. Die Meriten des 50 Jahre alten britischen Konstrukteurs sind legendär. "Wer Erfolg haben will, braucht Michael Schumacher oder Adrian Newey", soll Ex-Weltmeister Damon Hill einmal gesagt haben. Der hochgelobte Ingenieur hat selbst nie viel Wind um sich gemacht, obwohl der Wind sein Leben ist. Er weiß, was er als Aerodynamik-Guru wert ist, steht aber lieber im Hintergrund. Seine Universität in Southampton verlieh ihm 20 Jahre nach dem Diplom die Ehrendoktorwürde. Den Titel würde er nie auf seine Visitenkarte schreiben.