Seine Gedanken kreisen derzeit pausenlos um ein einziges Thema. Doch gestern konnte Sebastian Zbik für ein paar Minuten Ablenkung finden. In einem 300 PS starken VW-Passat R36 ließ sich der passionierte Motorsportfan zweimal über die Nordschleife des Nürburgrings chauffieren.

Hamburg. Dort, wo er am Sonnabend Anlauf auf seine erste WM-Chance nehmen will, fand der Mittelgewichts-Boxprofi aus dem Hamburger Spotlight-Stall die Zerstreuung, die ihm seit Wochen fehlt. Vor dem Duell mit dem Italiener Domenico Spada um den Interims-Titel des World Boxing Council (WBC) in der neuen Ring-Arena, das das ZDF live nach dem Hauptkampf zwischen Felix Sturm und Koren Gevor überträgt, ist der 27-Jährige so fokussiert und angespannt wie nie zuvor in seiner Laufbahn.

Das ist auch kein Wunder, immerhin sind die Erwartungen, die der in Hamburg lebende Mecklenburger erfüllen soll, immens. Viele Experten trauen dem früheren Sportsoldaten, der als Amateur auch wegen zweifacher Erkrankung an Pfeifferschem Drüsenfieber über EM-Bronze nicht hinauskam, zu, der nächste deutsche Weltmeister zu werden. Darüber hinaus soll Zbik als neues Gesicht im ZDF dafür sorgen, dass die ab Herbst 2010 infrage stehende Partnerschaft des Mainzer Senders mit Spotlight-Mutter Universum weitergeführt werden kann. "Der Druck ist schon viel größer als vor meinen bisherigen Kämpfen", sagt Zbik, "aber ich versuche alles, um darunter nicht zu verkrampfen."

Um nicht, wie am Anfang der Vorbereitung, stundenlang wach zu liegen, "weil ich mir alles ausgemalt habe, was im Kampf passieren könnte", hat sich der in bislang 26 Profikämpfen unbesiegte Rockfan - Einmarschmusik: "Bless the child" von Nightwish - sogar das Lesen im Bett angewöhnt. "Damit kann ich die rotierenden Gedanken anhalten", sagt er.

Tatsächlich hat Zbik in den vergangenen Monaten die wohl signifikanteste Entwicklung aller in Hamburg unter Vertrag stehenden Boxer genommen. "Sebastian ist reifer geworden, er hat sich technisch und taktisch enorm verbessert und sich die WM-Chance verdient", sagt Trainer Fritz Sdunek. Vor allem aber ist er menschlich gereift, ohne sich dabei zu verändern. Noch immer ist er zurückhaltend und höflich, doch die Jahre als Zugpferd für das mittlerweile beendete "Fight Night"-Projekt von Spotlight und Pro Sieben haben ihn gelehrt, mit Medienrummel umzugehen. Deshalb wäre ihm auch nicht bange vor dem Hype, der ihm als neuem deutschen Weltmeister bevorstehen könnte. "Im Gegenteil, ich freue mich darauf. Ich genieße es doch, wenn ich Menschen mit dem, was ich tue, begeistern kann." Sebastian Zbik ist bereit dafür, seinen Traum vom WM-Titel zu leben. Er muss jetzt nur noch zugreifen.