Ich bin ehrlich gesagt nicht überrascht, dass Tommy Haas im Alter von 31 Jahren das geschafft hat, was ihm zuvor noch nie gelungen ist: ins Halbfinale von Wimbledon einzuziehen.

Sein Potenzial ist bekannt. Deshalb ist es jetzt besonders schön zu sehen, dass er nach all den Verletzungen seit den French Open richtig gutes Tennis spielt und vor allem Spaß daran hat. Ich glaube, das hat er in den vergangenen Tagen ganz eindeutig gezeigt.

Ich kann mich noch daran erinnern, wie ich nach meiner schweren Fußverletzung zurückgekommen bin und bei den French Open das Finale gespielt habe. Man muss sich wohlfühlen, darauf kommt es an. Manchmal hilft eine Pause auch dabei, zu ergründen, warum man die ganzen Anstrengungen überhaupt auf sich nimmt. Man spielt Tennis, weil man Spaß an dem Sport hat, es genießt, vor Tausenden Leuten auf einem Centre-Court zu spielen. Das motiviert einfach unglaublich.

Wenn dann noch der Körper mitspielt, sind Erfolge wie die von Tommy eben keine Überraschung. Er ist einer der ganz wenigen, die wirklich aggressives Rasentennis spielen, viel ans Netz kommen - und das zahlt sich einfach aus. Das wiederum macht mir beim Zuschauen Spaß.

So wie er im Moment drauf ist, hat er auch gegen Roger Federer absolut eine Chance, ins Finale von Wimbledon einzuziehen. Er hatte ihn schon in Paris am Rande einer Niederlage. Tommys Ziel war immer, ein Grand-Slam-Turnier zu gewinnen, und jetzt hat er die Möglichkeit, einen großen Schritt in diese Richtung zu gehen. Er muss dafür an seine Leistungen aus den vergangenen Matchen anknüpfen, gut aufschlagen, seine Chance suchen. Dann ist er jemand, der Roger Probleme bereiten kann.

Es könnte durchaus ein ähnliches Match wie bei mir im Halbfinale 1991 werden. Ich setzte mich damals in vier Sätzen durch, dabei hat Stefan Edberg nicht ein Aufschlagspiel abgeben. Ich habe in dem Spiel drei Sätze im Tie-Break gewonnen. So ein enges Match kann es heute (14 Uhr, DSF live, d. Red.) auch geben. Das Glück muss natürlich auch auf Tommys Seite sein, aber das gehört einfach dazu. Und er muss fest daran glauben, dass er es schaffen kann.

Wie wichtig solche Erfolge für das deutsche Tennis sind, haben wir im vergangenen Jahr mit dem Halbfinal-Einzug von Rainer Schüttler erlebt. Dieses Mal haben sich eigentlich alle deutschen Herren im Feld ganz gut geschlagen, und das macht Mut. Vor allem, wenn man sieht, wie viele andere Nationen große Probleme haben. Was uns fehlt, ist dieser eine Star, der konstant unter den ersten zehn der Welt steht. Das ist der nächste Schritt. Erfolge wie die von Tommy motivieren die jungen Leute, wieder mehr Tennis zu spielen. Das ist für den Sport insgesamt nur positiv und damit natürlich auch für Turniere wie das am Rothenbaum.

Michael Stich (40) gewann 1991 in Wimbledon und stand einst in der Weltrangliste auf Rang zwei. Heute engagiert sich der gebürtige Pinneberger unter anderem als Turnierdirektor am Hamburger Rothenbaum.