Als Helge Schwarzer zum Termin kommt, klebt silberfarbener Lack an seinen Fingernägeln.

Er hat bis eben noch gesprüht an seinem neuesten Werk, einer Auftragsarbeit für seinen Freund Kamghe Gaba, den derzeit besten deutschen 400-Meter-Läufer. Er brauche die Graffitikunst, sagt der Hürdensprinter des HSV: "Es hilft, den Kopf freizukriegen."

Sonst würde er ja nur noch an den Sport, die nächste Hürde denken. Sein BWL-Studium hat Schwarzer (23) erst mal für ein Jahr ruhen lassen, denn sein großer Traum duldete keinen Aufschub: "Von einer Heim-WM träumt doch jeder Sportler."

Nach Lage der Dinge ist er dabei in Berlin. Vergangene Woche hat er die WM-Norm von 13,55 Sekunden als Erster wie gefordert zum zweiten Mal erfüllt. Trotz 14 Grad, Nieselregen und eines verpassten Starts.

Es sind Läufe wie dieser, aus denen der gebürtige Hannoveraner das nötige Selbstbewusstsein bezieht, um Sätze zu sagen wie diesen: "Wenn ich in Ulm zwei gute Läufe hinlege, wird es schwer, mich zu schlagen." Er will nicht überheblich klingen, versichert Schwarzer, aber ein gewisses Ego gehöre eben im Sprint dazu. Bei keiner anderen Disziplin sei die mentale Anspannung so groß, der Sieg so schön, die Niederlage so schmerzvoll.

Die schmerzvollste hat er im März in Turin erleben müssen. Halbfinale der Hallen-EM, es war das Rennen seines Lebens, Schwarzer lag auf Platz zwei - bis er kurz vor dem Ziel stürzte. Den Fernsehausschnitt hat er später auf seinen Blog gestellt: "Das war nötig, um es zu verarbeiten. Ich versuche, Motivation daraus zu ziehen." Inzwischen könne er darüber lachen, was Schwarzer ohnehin ziemlich gut kann.

Locker will er es angehen lassen am Sonnabend. Wie immer wird er sich mit Hip-Hop ein bisschen einstimmen und dann "mein Ding durchziehen". Am Ende sollte nach Möglichkeit eine neue Bestzeit stehen, mindestens 13,51 also. Sollten die anderen schneller sein, will er im nächsten Jahr einen neuen Anlauf starten. "Ich weiß, dass da noch einiges drinsteckt." Sprichts und schwingt sich auf seinen Motorroller. Das Training wartet. Die Nägel werden später geschrubbt.