Die Doppel-Olympiasiegerin von Peking profitierte von ihrem neuen Schwimmanzug. Der wird im nächsten Jahr wieder verboten. Das ist gut so, sagte Steffen.

Berlin. Mit der Freude über ihren neuen Weltrekord hielt sich Olympiasiegerin Britta Steffen nur kurz auf. Die 25 Jahre alte Berlinerin ist eben eine ehrliche Haut. Die künstliche hatte sie im Vorlauf der deutschen Schwimm-Meisterschaften in Berlin zu einer neuen Bestmarke über 100 Meter Freistil getragen. In 52,85 Sekunden verbesserte sie die 15 Monate alte Bestmarke der Australierin Lisbeth Tricket um drei Hundertstel- und ihren eigenen Europarekord um zwei Zehntelsekunden. Andere hätten über diese Leistung ausgiebig gejubelt, Steffen dagegen nutzte diesen Moment zur Anklage.

"Mein neuer Anzug ist wie von einem anderen Stern. Du schwimmst wie auf einer Luftmatratze, ich bin mehr als eine Sekunde schneller." Und kopfschüttelnd fügte sie hinzu: "Wo soll das bloß noch hinführen?" Steffen wusste deshalb ihren Rekord einzuordnen: "Dieser Anzug ist nächstes Jahr nicht mehr erlaubt, was auch gut ist, weil diese Materialschlacht den Schwimmsport kaputt macht."

Vor einer Woche war sie im Training zum ersten Mal in das neue Modell "Hydrofoil" ("wasserfreundlich") ihres Ausrüsters Adidas geschlüpft. "Ich habe gedacht, das kann nicht sein", schilderte sie ihren Eindruck des "Weltraumanzugs". Jetzt trug sie ihn im Wettkampf, im Vorlauf morgens um halb zehn, verausgabte sich nicht einmal - und schwamm dann doch diese Zeit. "Ich bin verwundert und bestürzt, dass mein Schwimmgefühl mich so getäuscht hat", schilderte sie ihre eigene Überraschung. "Ich bin nicht so euphorisch, weil in den kommenden Wochen, vor allem Ende Juli bei der WM in Rom, noch viele Weltrekorde fallen werden." Ihren eigenen könnte sie schon am Sonnabendnachmittag in Berlin im Endlauf über die 100 Meter Freistil korrigieren.

Dass nach ihren Olympiasiegen ihr zweiter Lebenstraum, unter 53 Sekunden zu schwimmen, so schnell erfüllt würde, damit hätte Britta Steffen auch mit dem neuen Outfit nicht gerechnet. "Das ist das krasseste Teil, was ich je getragen habe. Du liegst auf dem Wasser, stirbst nicht auf den letzten Metern, du hast keine Schmerzen", sagte sie und konnte sich keinen Reim auf die Erfolgsformel machen: "Selbst Wissenschaftler wissen nicht genau, woran es liegt."

Der Weltverband Fina hatte erst zu Wochenbeginn die meisten der umstrittenen "Wunder-Anzüge" genehmigt, insgesamt 385, darunter die Neuentwicklung von Steffens Sponsor, den auch Rückenspezialist Helge Meeuw (Frankfurt am Main) schwimmt. Ironie der Geschichte: Adidas hatte erst Ende 2008 den Ausrüstervertrag mit dem DSV (eine Million Euro pro Jahr) nach andauernder Kritik vieler Schwimmer am angeblich nicht konkurrenzfähigen Material fristlos gekündigt. Erst von 2010 an will die Fina strengere Regeln für die Anzüge erlassen, die allein im vergangenen Jahr 108 Weltrekorde ermöglicht und die Grundfesten der olympischen Kernsportart erschüttert hatten.

Der wenig konsequente Kurs, nun doch fast alle umstrittenen Anzüge zuzulassen, hatte der Fina harte Kritik von Trainern und Athleten eingebracht. Britta Steffen wird als einzige deutsche Weltrekordinhaberin übrigens keinen Eingang in Rekordlisten der "L'Équipe" finden. Die französische Sportzeitung gab bekannt, sie werde erst von 2010 an wieder über Rekorde berichten, wenn eindeutige Anzugregeln erlassen würden.