Die vermeintliche Vorzeigeathletin Isabell Werth sorgt für den nächsten Eklat. Ihr drohen zwei Jahre Sperre.

Hamburg. Auf den Tag genau vor zwei Wochen saß Breido Graf zu Rantzau mit einer kleinen Runde vor dem Kamin im heimischen Schloss Breitenburg bei Itzehoe. Draußen regnete es in Strömen, doch der Präsident der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) glaubte die stürmischsten Zeiten hinter sich zu haben. Nach den schweren Doping-Anschuldigungen der vergangenen Monate hatte der Verband 14 Tage zuvor sämtliche Nationalkader aufgelöst und damit ein bemerkenswertes Zeichen für einen Neuanfang gesetzt.

"Wir müssen die schwarzen Schafe bestrafen", sagte Rantzau, ohne zu wissen, dass zu diesen auch Isabell Werth zählen könnte. Seit gestern steht die fünfmalige Dressur-Olympiasiegerin im Zentrum eines neuen Dopingfalles, und auf den Grafen prasselt es mehr denn je ein. "Das ist eine Katastrophe", sagte der 59-Jährige. "Wir lassen uns aber nicht entmutigen und werden den eingeschlagenen Weg für einen fairen Pferdesport fortsetzen." Zuvor hatte die FN mitgeteilt, dass Werths Wallach Whisper beim Pfingstturnier in Wiesbaden positiv auf das verbotene Beruhigungsmittel Fluphenazin getestet worden war. Der vorläufig suspendierten Vorzeigereiterin droht nun eine zweijährige Sperre.

Auf ihrer Homepage erklärte die 39-Jährige aus Rheinberg gestern Abend, dass die Substanz durch das Medikament Modecate in den Körper des Pferdes gelangt sei. Das Präparat habe ihr ein Tierarzt empfohlen, da der Wallach an der so genannten "Zitterkrankheit" leide. Die Wirkstoffe hätten bis zum Turnier abgebaut sein sollen. Allerdings gibt es laut Professor Manfred Kietzmann, Pharmakologe der Tierärztlichen Hochschule Hannover, in Deutschland gar kein zugelassenes Arzneimittel für Pferde, in dem Fluphenazin enthalten ist. "Wenn man es hier als Medizin verwendet, ist das illegal, und als Doping sowieso", sagte Kietzmann der Deutschen Presse-Agentur.

Werth bedauert derweil den Vorfall zutiefst: "Ich bin mir bewusst, dass ich zu Zweifeln an der Redlichkeit und Sauberkeit meiner Person und unseres Sports Anlass gegeben habe. Ich entschuldige mich auf diesem Wege bei allen, die dem Reitsport und mir verbunden sind." Zuletzt hatte der Internationale Sportgerichtshof CAS Springreiter Christian Ahlmann (Marl) wegen Dopings bei seinem Pferd Cöster während Olympia für acht Monate gesperrt. Auch gegen Springreiter Marco Kutscher (Hörstel) läuft beim Weltverband ein Verfahren wegen unangemeldeter Medikation. Ludger Beerbaum (Riesenbeck) war nach seinen umstrittenen Aussagen über den Umgang mit Medikamenten von der FN jüngst für Nationenpreise gesperrt worden.

Werth galt bislang als vorbildliche Sportlerin und hatte im vergangenen Sommer in Hongkong mit dem deutschen Team ihr fünftes Olympia-Gold gewonnen. Die Juristin war zudem sechsmal Welt- und zwölfmal Europameisterin. Am Rande der deutschen Meisterschaften in Balve hatte sie pikanterweise die FN für deren Maßnahmen im Antidopingkampf kritisiert. "Tatsache ist, dass da Aktionismus entstanden ist", sagte Werth zur Einsetzung einer neutralen Kommission, die alle Kaderreiter zum Thema Doping befragen soll: "Ist das ein Beichtstuhl?" Die Reiterin wehrte sich "gegen die generellen Unterstellungen", dass im Pferdesport in allen Disziplinen manipuliert werde. Jetzt droht sie ihren Sport vom Regen in die Traufe zu bringen.