Sebastian Vettel liegt in der Gesamtwertung 25 Punkte hinter Jenson Button zurück. Den Titel hat der Deutsche noch im Visier.

Silverstone. Als der strahlende Sebastian Vettel mit dem goldenen Siegerpokal verschwand, kam nach drei trüben Tagen sogar die Sonne in Silverstone zum Vorschein. Der 21-Jährige hat nicht nur das Formel-1-Titelrennen neu eröffnet, mit seiner Triumphfahrt, die am Sonntag allein bei RTL durchschnittlich 6,26 Millionen Fernsehzuschauer live erlebten, eroberte der Hesse auch die Herzen der Engländer im Sturm. Seine Virtuosität wecke Erinnerungen an Jim Clark, schrieb der "Guardian", und die "Times" schwärmte vom "jungen deutschen Maestro", der die "Herzen erwärmte".

Noch liegt Vettel in der WM-Gesamtwertung als Dritter 25 Punkte hinter Spitzenreiter Jenson Button zurück. Doch der Brite ist nicht unschlagbar, das hat Vettel gemerkt. Daher sagt er dem Rivalen vor seinem Heimspiel auf dem Nürburgring (12. Juli) den Kampf an. "Am Ende wird zusammengezählt, und wer auch immer mehr Punkte geholt hat, der wird Champion", sagte der Red-Bull-Pilot und machte sich Mut: "Die Saison ist noch sehr lang, es kann alles passieren."

Durch seinen grandiosen Sieg hat Vettel auch die erste schwierige Phase seiner noch kurzen Formel-1-Karriere umkurvt und aufkommende Kritik verstummen lassen. "Sebastian war brillant", sagte Teamchef Christian Horner. "Das war sensationell. Die stärkste Performance des Jahres. So dominant hat in diesem Jahr noch keiner gewonnen", meinte Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug. Selbst Seriensieger Button machte große Komplimente: "Fantastisch! Sebastian hat keinen Fehler gemacht und verdient gewonnen."

Dem Gepriesenen war die Erleichterung nach seinem Coup ausgerechnet im "Button-Land" anzumerken. Im Interviewmarathon redete der Heppenheimer fast so schnell, wie er zuvor gefahren war - als müsste er auch verbal einiges wiedergutmachen. Noch zwei Wochen zuvor hatte er in der Türkei nach seinem dritten gravierenden Fehler in diesem Jahr und dem verpassten Sieg Kritik einstecken müssen. Auch seine öffentlich geäußerten Vorwürfe wegen einer angeblichen falschen Strategie waren nicht gut angekommen.

In Silverstone streichelte er die Seele seines Teams. "Die gesamte Mannschaft hat tolle Arbeit geleistet und die neuen Teile in vielen Nachtschichten noch fertig bekommen. Ergebnisse sind die beste Art und Weise, um sich bei jedem Einzelnen zu bedanken", sagte er in Richtung der Mechaniker im nur 15 Autominuten entfernten Werk in Milton Keynes, ehe er sich zum Barbecue in Horners Garten verabschiedete.

Gerade den Mechanikern hatten er und sein zweitplatzierter Teamkollege Mark Webber zu verdanken, dass sie in einem stark verbesserten Auto der Konkurrenz auf und davon fahren konnten. Selbst die sonstigen Seriensieger von BrawnGP hielten nicht mehr mit. Mehr als Platz drei von Rubens Barrichello mit über 40 Sekunden Rückstand war nicht drin. Button musste mit Platz sechs sein schlechtestes Saisonergebnis hinnehmen. "Das muss man anerkennen. Red Bull war heute wirklich unschlagbar", meinte Teamchef Ross Brawn.

Auch wenn Vettel (39 Punkte) in der Gesamtwertung noch immer Dritter hinter Button (64) und Barrichello (41) ist, gilt das Ausnahmetalent jetzt mehr denn je als der große Herausforderer des WM-Führenden. Nur der Brite (6 Siege) und der Deutsche (2) haben in diesem Jahr gewonnen. "Jensons Vorsprung ist immer noch sehr komfortabel. Er wird jetzt wohl nicht komplett einbrechen. Aber wir werden alles versuchen", versprach Vettel.

Dass Red Bull nun dank der finanziellen Power seines Besitzers Dietrich Mateschitz einen entscheidenden Vorteil hat gegenüber den bescheidener kalkulierenden BrawnGP, wies Horner zurück. Mehr Geld gebe es nicht. "Mateschitz gibt uns alles, was wir brauchen. Aber Geld allein gewinnt keine Rennen."Stimmt. Man braucht auch einen starken Fahrer - wie Vettel.