Der 21-Jährige ließ den WM-Führenden Jenson Button bei dessen Heimspiel klar hinter sich und darf nun wieder vom Titel träumen.

Silverstone. Sebastian Vettel verneigte sich auf seinem Boliden, ballte die Faust und reckte bei der Siegerehrung zur deutschen Hymne Goldpokal und Schampus in die Höhe. Der Partyschreck aus Heppenheim hatte WM-Spitzenreiter Jenson Button bei seiner Heim- Fete die Show gestohlen und die Formel-1-Titeljagd neu eröffnet. Mit seinem zweiten Saisonerfolg beendete der 21-Jährige am Sonntag ausgerechnet im "Home of British Motor Racing" von Silverstone die Siegesserie von Lokalmatador Button, der vor 90 000 Zuschauern mit Rang sechs sein schlechtestes Saisonergebnis ablieferte. "Ein Traum wird wahr", jubelte Vettel via Boxenfunk. "Ob ich jetzt Spielverderber bin oder nicht, ist mir Wurscht. Hauptsache ist, dass wir gewonnen haben", meinte er später mit breitem Grinsen.

Sein australischer Teamgefährte Mark Webber machte wie schon in China den Doppelerfolg für das Red-Bull-Team perfekt. Dritter wurde Button-Kollege Rubens Barrichello im zweiten Brawn-Mercedes. "Es ging einfach nicht. Das war total frustrierend", gestand Button. Vettel darf hingegen gestärkt zum Deutschland-Grand-Prix in drei Wochen auf den Nürburgring reisen. "Ich hoffe, es geht so weiter", sagte Vettel. "Ein fantastischer Job. Brillant", rühmte Red-Bull-Teamchef Christian Horner seinen von der Pole Position gestarteten Jungstar, der zum dritten Mal in seiner Karriere auf die oberste Stufe des Siegertreppchens kletterte - zum ersten Mal allerdings bei einem Rennen auf trockener Strecke. "Hut ab in diesem Alter", meinte Fußball-Nationalspieler Michael Ballack, der als Ferrari-Gast sein erstes Formel-1-Rennen an der Strecke sah. "Ein Riesending", lobte Vater Norbert Vettel seinen Filius, der nach 1:22:49,328 Stunden als die Zielflagge sah. "Ein saugeiles Rennen. Es passte alles."

Der ziemlich ereignislose Grand Prix verschaffte dem Formel-1- Zirkus eine willkommene Atempause inmitten der Grabenkämpfe zwischen der Teamvereinigung FOTA und dem Weltverband FIA um die Zukunft der Königsklasse (siehe Text unten). Vettel und sein Red-Bull-Team dominierten die Abschiedsvorstellung der Traditionsstrecke von Silverstone, auf der 1950 das erste Formel-1-Rennen ausgetragen worden war, vom Training an nach Belieben. Im WM-Kampf hoffen sie nun auf eine Wende.

Nach sechs Button-Siegen in den ersten sieben Rennen waren die bislang schier übermächtigen Brawn-Boliden diesmal chancenlos. Zum ersten Mal verpasste der WM-Führende in diesem Jahr eine Podiumsplatzierung und lag am Ende 46 Sekunden hinter Vettel. "Wir hatten Riesenprobleme, die Reifen auf Temperatur zu bekommen", bekannte Teamchef Ross Brawn. Frustrierend verlief das Wochenende für Weltmeister Lewis Hamilton. Der McLaren-Mercedes-Pilot, der sein Heimrennen im Vorjahr nach grandioser Regen-Gala gewonnen hatte, musste aus der letzten Reihe starten, rutschte bei der Aufholjagd mehrfach von der Strecke und fuhr als 16. über die Ziellinie. "Ein Rennen zum ganz schnell Vergessen. Unsere Performance war schlecht", urteilte Mercedes- Motorsportchef Norbert Haug.

Toyota-Pilot Timo Glock (Wersau) verpasste als Neunter die Punkteränge. Erneute Enttäuschungen mussten auch BMW-Sauber-Pilot Nick Heidfeld (Mönchengladbach) als 15. und Force-India-Fahrer Adrian Sutil als 17. verkraften. Für Landsmann Vettel hingegen lief alles perfekt.

Vom Start weg fuhr der Hesse fast eine Sekunde pro Runde schneller als die Konkurrenz. Nach wenigen Umläufen auf dem 5,141 Kilometer langen Hochgeschwindigkeitskurs hatte der Red-Bull-Fahrer seine Verfolger bereits aus dem Rückspiegel verloren. Dabei war Vettel mit dem schwersten Auto der Top-Ten-Fahrer unterwegs. "Unser Auto ist eine Sensation. Wir mussten nicht einmal ans Limit gehen", verriet Berater Helmut Marko. Mit einem runderneuerten Boliden konnte auch Vettels Teamkollege Webber glänzen. Nach der ersten Runde der Boxenstopps hatte der Routinier Barrichello Platz zwei abgejagt und konnte fortan Vettel den Rücken freihalten.

Eine starke Vorstellung bot auch Williams-Mann Nico Rosberg als Fünfter. Am Start verbesserte er sich um eine Position auf Rang sechs, mit einer klugen Strategie fuhr er bis zur Mitte des Rennens auf Platz vier vor und nahm sogar einen Podestplatz ins Visier. Doch beim zweiten Reifenwechsel musste der Wiesbadener noch den Brasilianer Felipe Massa vorbeiziehen lassen.