Sauerland respektiert die Absage des finnischen Verbandes. Er wurde laut eigener Aussage “überrumpelt“.

Helsinki. Abendblatt: Herr Sauerland, wie ist – nach einer Nacht und der Marathonsitzung aller Beteiligten – Ihre Sicht der Dinge?

Wilfried Sauerland (Chef von Sauerland Event): Wir bedauern die Absage außerordentlich. Aber die Entscheidung, die der finni-sche Verband getroffen hat, respektieren wir. Es lag laut deren Test eine, wenn auch geringe, Ansteckungsgefahr vor. Und die Gesundheit der Sportler ist das höchste Gut. Diese müssen wir immer schützen.

Abendblatt: Die Erkrankung Chagaevs ist seit Jahren bekannt, auch schon vor dem ersten Duell mit Valuev im April 2007 war sie ein Thema. Warum wird so ein wichtiger Kampf dann erst am Abend vorher abgesagt?

Sauerland: Die deutschen Mediziner haben bislang die Kämpfe Chagaevs sanktioniert, weil sie keine Ansteckungsgefahr sahen. Deshalb haben wir uns auch keine weiteren Gedanken darüber gemacht. Am Anfang der Woche wurde aber bekannt, dass die Finnen die Werte kritischer sehen und auf einem Nachtest bestehen. Leider hat sich Universum zunächst geweigert, diesen durchführen zu lassen. Am Donnerstag haben sie dann auf eigene Faust einen gemacht. Dessen Ergebnis stand leider erst nach dem offiziellen Wiegen am Freitag zur Verfügung. Mit dieser neuen Situation wurden wir überrumpelt.

Abendblatt: Sie selbst hatten schon am Dienstag gemutmaßt, der Kampf könnte ausfallen. Überrumpelt ist da wohl übertrieben.

Sauerland: Ich hatte am Anfang der Woche mitbekommen, dass die Finnen einen Nachtest fordern, deshalb haben wir uns aber noch lange nicht damit arrangiert, dass der Kampf ausfällt.

Abendblatt: Die aufgekommenen Gerüchte, der Kampf sei wegen der strikteren Regelauslegung absichtlich nach Finnland vergeben worden, um Chagaev zum drit-en Mal zur gesundheitsbedingten Absage zu zwingen und so Valuev zum alleinigen Champion zu machen, sind also unbegründet?

Sauerland: Die sind absurd! Ich wäre doch verrückt, wenn ich freiwillig eine Kampfabsage riskieren würde. Wir haben durch die Absage eine halbe Million Euro verloren, weil die Versicherung bei Hepatitis B nicht zahlt. Wir haben unseren TV-Partner ARD enttäuschen müssen, weil die nun einen lang eingeplanten Kampfabend nicht übertragen können. Und wir haben mit unserem finnischen Partner eine langfristige Kooperation angestrebt, die nun einen denkbar schlechten Start erlebt hat. Da kann uns niemand unterstellen, wir hätten den Kampf absichtlich ausfallen lassen.

Abendblatt: Auf viele neutrale Beobachter wirkten Sie und Ihre Mitarbeiter am Freitagabend weder sonderlich bemüht, den Kampf zu retten, noch sonderlich traurig über die Absage.

Sauerland: Wir haben alles getan, was wir konnten, um den Kampf zu retten. Aber die Ent-scheidung lag nun einmal ganz allein beim finnischen Verband. Was, außer Abwarten, hätten wir also tun können?

Abendblatt: Ein Mitglied Ihres Teams hat am Freitagabend vor TV-Kameras erklärt, die Entscheidung läge allein bei Nikolai Valuev, der finnische Verband habe ihm freigestellt, das Risiko einer Ansteckung einzugehen oder nicht.

Sauerland: Das ist falsch transportiert worden. Die Entscheidung lag zu jeder Zeit beim finnischen Verband, dessen Vorsit-zender Pertti Augustin ein hoch geschätzter und sehr erfahrener Funktionär im Boxsport ist. Es ist nicht unsere Art, in die Entscheidungsgewalt anderer einzugreifen. Richtig ist, dass Nikolai in die Entscheidung einbezogen wurde.

Abendblatt: Das heißt, Sie sehen die Entscheidung der Finnen nicht als Fehler an?

Sauerland: Nein. Vielmehr muss sich der deutsche Verband fragen, ob er in der Vergangenheit, als er die Kämpfe Chagaevs sanktionierte, alles für die Gesundheit der beteiligten Boxer getan hat. Vielleicht ist ja die finnische Auslegung, die im Übrigen in diversen anderen Ländern so gehandhabt wird, die richtige.

Abendblatt: Wie gehen Sie nun mit der Thematik weiter um?

Sauerland: Wir warten jetzt die Entscheidung des Weltverbands ab, der sich sieben Tage Bedenkzeit gegeben hat. Dann schauen wir, wie es weitergeht.