Bittere Pleite für die Handballer des HSV: Im Halbfinalhinspiel in der Champions League verlor das Team von Trainer Martin Schwalb 29:30 gegen Titelverteidiger BM Ciudad Real. Weil ihre Torhüter wieder ein Rückhalt waren, glauben die Hamburger dennoch fest an ihre Chance im Rückspiel.

Hamburg. Am Tag danach kehrte die Hoffnung zurück. "Wir müssen mit breiter Brust nach Spanien fliegen, weiterkämpfen und fest an uns glauben. Dann ist noch alles möglich." Guillaume Gille hat das gesagt, der Kapitän der Handballer des HSV. 29:30 (Halbzeit 13:12) hatten die Hamburger das Halbfinalhinspiel in der Champions League gegen Titelverteidiger BM Ciudad Real in der Color-Line-Arena verloren. "Es ist nur ein Tor, ein einziges", ergänzte Rechtsaußen Hans Lindberg, "das können wir aufholen, auch auswärts. Wenn wir nicht davon überzeugt wären, wären wir keine richtigen Sportler."

Zuversicht klingt so oder ähnlich, und selbst Talant Dujshebaev, Ciudad Reals Trainer, hat den HSV für das Rückspiel am nächsten Sonnabend (19 Uhr, Eurosport live) weiter auf der Rechnung: "Ich bleibe dabei: Die Hamburger gehören neben uns und dem THW Kiel zu den drei besten Handballteams der Welt. Das haben sie in diesem Spiel über weite Strecken gezeigt."

Genauer gesagt über die ersten und die letzten 18 Minuten. Nach 18 Minuten führte der HSV 12:7, die letzten 18 Minuten "gewann" er 11:7. Die 24 Minuten dazwischen entschieden die Begegnung: Ciudad Real wendete mit einem Zwischenspurt von 16:6 Toren das Spiel.

"Es war klar, dass wir unser anfänglich hohes Niveau nicht über die gesamte Distanz würden halten können", zeigte Johannes Bitter Verständnis für das nervenaufreibende Auf und Ab. Der HSV-Torhüter hatte maßgeblichen Anteil an der zwischenzeitlichen Führung, die beim Stand von 11:5 sechs Tore betrug. Bitter parierte alle drei Siebenmeter der Spanier, in der ersten Halbzeit insgesamt 15 von 30 Würfen. "Absolute Weltklasse" sei das gewesen, befand HSV-Trainer Martin Schwalb.

Wer hinter den drei Spielphasen unerklärliche Leistungsschwankungen der Hamburger vermutete, der wurde später von HSV-Sportchef Christian Fitzek aufgeklärt: "Im modernen Handball spielen die Torhüter eine zentrale Rolle. Sie bestimmen den Spielverlauf." So war es: In den ersten 18 Minuten hielt Bitter überragend, in den nächsten 24 Minuten Ciudad Reals Arpad Sterbik, und in den letzen 18 war der in der 34. Minute eingewechselte Per Sandström im HSV-Tor kaum zu überwinden.

Die Paraden des spanischen Torhüters indes hinterließen außerordentliche Wirkung auf die Hamburger Schützen. "Unser Rückraum", analysierte Fitzek, "hat taktisch fast alles richtig gemacht, aber die Spieler haben sich plötzlich nicht mehr getraut, im richtigen Moment auch zu werfen. Wenn einer wie Sterbik dir die Bälle wegfischt, kommst du allerdings schon ins Grübeln."

Dieses teils fehlende Selbstvertrauen mag zudem den zuletzt wechselhaften Vorstellungen des HSV in der Bundesliga mit Niederlagen in Mannheim und Flensburg geschuldet sein. Eine psychologisch gelungene Vorbereitung aufs Champions-League-Halbfinale waren diese Spiele sicherlich nicht. Immerhin: Der HSV überstand seine Krise gegen Ciudad Real, kehrte zurück und führte in der Schlussphase zweimal mit einem Tor Vorsprung. Und das machte allen Mut.

Die Hoffnung trägt neben Bitter und Sandström einen Namen: Bertrand Gille. Der Franzose warf sich zwei Wochen nach seinem Rippenbruch mit einem Brustpanzer aus Kunststoff ins Angriffs- und Abwehrgetümmel - und erzielte fünf Tore. Seine Kraft reichte diesmal nicht für 60 Minuten, in einer Woche vielleicht schon. "Am Ende", sagte Bertrand Gille, "waren die Schmerzen grenzwertig." Erst Spritzen und Tabletten hatten seinen Einsatz überhaupt zugelassen. "Er ist ein Vorbild", sagte Schwalb, "Respekt, Respekt!"


Statistik: Tore: HSV Hamburg: Lindberg 6 (3 Siebenmeter), B. Gille 5, G. Gille 4, Lackovic 4, Schröder 2, Jansen 2, Hens 2, K. Lijewski 2, Grimm 1, M. Lijewski 1; Ciudad Real: Rutenka 6, Enterrios 6, Källman 6, Stefansson 4, Abalo 2, Vaquero 2, Fernandez 1, Pajovic 1, García Parrondo 1, Dinart 1. Schiedsrichter: Dr. Tajok/Dobrovits (Ungarn). Zuschauer: 10 119. Zeitstrafen (2 Minuten): 3; 4.