Der Sieg bei Werder Bremen hat vielen HSV-Fans die Angst vor dem Saisonfinale genommen. Die Mannschaft von Trainer Martin Jol überzeugt Experten und Anhänger. Sie ist titelreif.

Qualität hat auch etwas mit Qual zu tun. So hat es jedenfalls der ehemalige HSV-Trainer Felix Magath vor Jahren mal gesagt. Dieser These ist wenig entgegenzuhalten, wenn man das Uefa-Pokal-Hinspiel des HSV bei Werder Bremen verfolgte. Die Endphase des qualitativ hochwertigen HSV war beim Zusehen quälend lang. Dennoch: Der 1:0-Erfolg war überraschend und verdient zugleich. So lahm und fahrig das Team von Trainer Martin Jol im DFB-Pokal-Halbfinale in Hälfte eins gegen Bremen agierte, so dominant, zielstrebig und selbstbewusst präsentierte sich die Mannschaft nun vor allem vor der Pause im Weserstadion. Keine Frage: Das war eindrucksvoll.

Klar, auch Werder hatte gute bis sehr gute Einschussmöglichkeiten (vor allem in Hälfte zwei), doch das ist angesichts des fußballerischen Potenzials im Bremer Kader nicht gerade verwunderlich. Diese Nordderbys, das bezeugen die ersten beiden Resultate nach 90 Minuten (1:1, 0:1), finden komplett auf Augenhöhe statt. In solchen Partien entscheiden Kleinigkeiten. Dass es diesmal eine mit einer Körpergröße unter 1,70 Meter und dem Namen Piotr Trochowski war, spricht für die Rothosen. Martin Jol hat Profis in seinem Kader, die den individuellen Unterschied ausmachen können; die in der Lage sind, ein Spiel alleine zu entscheiden.

Natürlich wäre es nun unangebracht, in Jubelstürme auszubrechen. Das Finale in Istanbul ist nach wie vor weit entfernt. Sehr weit. Doch einen Schritt in die richtige Richtung haben Taktikfuchs Jol (auch er hat aus den Fehlern seiner Besetzung im ersten Derby gelernt) und seine Jungs bereits gemeistert. Und sie alle wissen, dass das derzeitige Erfolgsrezept die Fähigkeit ist, von Spiel zu Spiel zu denken, die Konzentrationsfähigkeit im Maximalbereich zu konservieren und Rückschläge im Nu wegzustecken. Dieser HSV ist mental gefestigt, physisch stabil und in Sachen Qualität zu einem Spitzenteam gereift. Es wäre angesichts des jüngsten Auftritts vermessen, diese Mannschaft nicht als titelreif zu bezeichnen. Jetzt dürfen die Spieler nur nicht nachlassen und vergessen, dass sie ja sogar noch auf zwei Hochzeiten tanzen. Nach dem ersten Bremer Festmahl sollten sich die Herren um Vorkämpfer Joris Mathijsen nun ein paar Berliner "zum Nachtisch" schmecken lassen...