In welchem Fahrzeug er am Dienstagmittag nach Hamburg gekommen war, wollte Timo Glock nicht verraten. Nur so viel: Ein großes sei es gewesen, “wegen...

Hamburg. In welchem Fahrzeug er am Dienstagmittag nach Hamburg gekommen war, wollte Timo Glock nicht verraten. Nur so viel: Ein großes sei es gewesen, "wegen der vielen Geschenke". Auf welchen Wagen er in den nächsten Jahren setzt, darin ließ der Formel-1-Pilot als Gast des Handballspiels HSV-Minden in der Color-Line-Arena keinen Zweifel: "2010 will ich mit Toyota Weltmeister werden. Wir können es schaffen, wenn wir weiter derartige Fortschritte machen wie in diesem Jahr." Nichts ist unmöglich, das wissen wir.

In der zurückliegenden Saison hatte sich der 26-Jährige mit der unfreiwilligen Rolle des Weltmeistermachers zufrieden geben müssen. Die hatte ihn allerdings die Schattenseiten der Formel-1-Glitzerwelt kennen lernen lassen. "Mir ist blanker Hass entgegengeschlagen. Da bei hatte ich nur meinen Job gemacht." Und den auch noch besonders gut.

Das war passiert: Im letzten Saisonrennen fuhren der Brasilianer Felipe Massa und der in der WM führende Lewis Hamilton in Sao Paulo um den Titel. Hamilton reichte ein fünfter Platz. Doch der Engländer war im Regenchaos auf Rang sechs zurückgefallen. Einer, der vor ihm lag, war Glock. Der Deutsche hatte, um Zeit zu sparen, auf einen Boxenstopp verzichtet und rutschte auf Trockenreifen jetzt mehr oder weniger schlingernd über die Piste. 300 Meter vor dem Ziel hatte Hamilton ihn schließlich ein- und überholt. Das entscheidende Manöver. Der Engländer wurde Weltmeister, der in seiner Heimat siegende Massa nur Zweiter. Glock wurde am nächsten Tag unter Polizeischutz zum Flughafen gebracht.

"Erst nach dem Rennen habe ich die ganze Aufregung mitbekommen, dass ich Lewis angeblich vorbeigelassen haben soll. Welch ein Unsinn! Durch den Regen hatten sich meine Reifen auf unter 40 Grad abgekühlt. Bei diesen Temperaturen reagieren sie so, als wenn man mit Sommerreifen auf Eis fahren würde. Das Auto halbwegs auf Kurs zu halten, war schwer genug. Hätten wir wie alle anderen die Reifen gewechselt, wäre ich gar nicht in die Position vor Lewis gekommen. Durch das Manöver haben wir in der Endabrechung sogar einen Platz gewonnen."

Davon war keine Rede mehr, als Glock nach seiner Rückkehr in das Gästebuch seiner Homepage schaute. Er wurde massiv von deutschen Motorsport-"Fans" beschimpft, "natürlich anonym", am schlimmsten empfand es Glock, dass der Abgrund von Abschaum, in den er das erste Mal in seiner Karriere blicken musste, einen rassistischen Hintergrund hatten. Lewis Hamilton ist der erste farbige Weltmeister der Formel 1.

Glock erzählt die Geschichte noch heute mit Schaudern. Sie hat ihn das erste komplette Jahr in der Königsklasse des Motorsports jedoch nicht verleiden können. Ein zweiter Platz in Budapest, Rang zehn in der Gesamtwertung sind für ihn die ersten Etappen auf dem Weg zu höheren Weihen. Auf das neue, kostendämpfende Formel-1-Reglement für 2009 (ein Motor muss vier Rennen halten, Slickreifen sind wieder zugelassen), das ergaben die ersten Tests, scheint der Toyota gut zu reagieren. "Die bisher gewonnenen Daten stimmen uns sehr optimistisch", sagte Glock. Auch seine. In den vergangenen Wochen nahm er nach einem intensiven Fitnessprogramm vier Kilo ab. Bei einer Größe von 1,62 Meter wiegt er derzeit 66 Kilo. Seine kräftigen Oberarme sind Zeuge der jüngsten Anstrengungen. "Die brauche ich, um das Auto auf der Ideallinie zu halten." Hat er auch die fahrerischen Fähigkeiten, um Weltmeister zu werden? "Na klar", sagt er, "ich bremse spät genug!" Seine Worte wirken nicht großkotzig, nur selbstbewusst. Der Aufstieg in die Formel hat ihn nicht verändert. "Ich trage immer noch dieselben Jeans und Pullover wie vor einem Jahr."

Glocks Auftritt in Hamburg, sein erstes Handball-Bundesligaspiel als Zuschauer, hatte eine fast sechsjährige Vorgeschichte. 2003 lernte er Andreas Rudolph, den späteren Präsidenten der HSV-Handballer, bei einem Sicherheitstraining der Formel 1 kennen. Der erkannte das Talent des jungen Piloten und unterstützt ihn seither. Und was für ein Autofahrer ist Rudolph? Glock: "Ein gemütlicher."

Die Atmosphäre in der Color-Line-Arena hat Timo Glock während des Spiels genossen. "Das war ja fast so laut wie bei uns in der Formel 1."