Regenerationszeit ist stark verkürzt, die Gegner ausgeruht - der Kader steht auf dem Prüfstand.

Hamburg. Als er in der 82. Minute gegen Schalke den Ball leichtfertig vertändelte, vermochten ihn seine Beine kaum noch zu tragen. Piotr Trochowski, mit Abstand bester Spieler der ersten Hälfte, musste seinem anstrengenden Pensum der Vortage Tribut zollen. Mit zwei Länderspielen binnen einer Woche fehlte schlicht die Regenerationszeit. "Da ging nichts mehr", so der Torschütze ehrlich. Am Ende reichte es dennoch zu einem Punkt und zur Verteidigung der Tabellenspitze. Aber: Fehlt dem HSV am Ende die (Regenerations-) Zeit für den Titeltraum?

Immerhin steht alle 3,6 Tage steht im Oktober ein Pflichtspiel an. Zumindest für die HSV-Profis, die zudem für ihre Nationalmannschaften aktiv sind. Und das sind immerhin 14 Profis. "Der Monat ist sicher nicht der einfachste", sagt Trainer Martin Jol und betont fast im selben Atemzug, der HSV habe in dieser Saison einen qualitativ derart hochwertigen und in der Breite starken Kader zusammengestellt, dass es kaum einen Leistungsabfall geben dürfe. Sportchef Beiersdorfer lobt die DFL, die die Bundesliga-Spielpläne entzerrt hat, indem Uefa-Cup-Teilnehmer nach internationalen Spielen erst an Sonntagen angesetzt werden.

Video: Im Interview Piotr Trochowski nach seinem Treffer gegen Schalke 04

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Inwieweit die beiden Architekten der aktuellen Mannschaft Recht behalten, dürften insbesondere die letzten zehn Tage des Monats Oktober zeigen. Unmittelbar nach dem ersten Gruppenspiel im Uefa-Cup bei Zilina muss der Tabellenführer der Bundesliga zum direkten Verfolger nach Hoffenheim, ehe es am Mittwoch bereits wieder gegen Stuttgart geht. "Mit Marcell Jansen, Thiago Neves und Nigel de Jong fehlen uns gleich drei wichtige Spieler längere Zeit", sagt der gerade wieder genesene Mladen Petric, "da darf bei unserem Programm in den nächsten Tagen personell nicht mehr viel passieren. Ansonsten wird es für uns eng."

Dass sich auch Jol ernsthaft Sorgen macht, zeigt die Tatsache, dass er Trochowski seinen Salto als Torjubel wegen der vermeintlichen Verletzungsgefahr am liebsten ausreden würde: "Ich habe in Italien einen erlebt, der hat sich dabei den Knöchel gebrochen. Wenn uns das passiert, hätten wir ein ernstes Problem." Allerdings ein einkalkuliertes. Sagt zumindest Beiersdorfer: "Viele Spiele in kurzer Zeit haben auch andere Bundesligateams außer uns - und alle werden noch ihr Delle abbekommen."

Verglichen mit den anderen international spielenden Bundesliga-Teams sieht sich der HSV gut gerüstet. "Bayern München bleibt unerreicht. Aber wir haben im Vergleich zu letztem Jahr einen deutlich breiter aufgestellten und qualitativ hochwertigeren Kader", beschwört Guy Demel, "die anderen Mannschaften wie Bremen und Schalke sind spielerisch nicht besser als wir, nur erfahrener."

Dabei stehen zurzeit gerade noch 20 gesunde Feldspieler zur Verfügung. Talente wie Anton Putsilo, Macauley Crisantus sowie die zumindest in Ansätzen Bundesliga-erprobten Tunay Torun und Änis Ben-Hatira mit inbegriffen. "Wir haben auch Vertrauen in die Spieler, die noch nicht zum Einsatz gekommen sind", bemüht sich Beiersdorfer um Optimismus, "aber wenn so gehäuft Verletzungen auftreten wie derzeit, müssen wir natürlich Abstriche machen." Klar ist aber auch, dass insbesondere Schlüsselspieler wie Torwart Frank Rost, David Jarolim und inzwischen auch Piotr Trochowski nicht gleichwertig zu ersetzen sind.

Neben einem deutlich erhöhten Aufwand an Regenerationsmöglichkeiten (Ergometer mit nach Zilina, ein zusätzlicher Physiotherapeut und reglementierte Ernährung mit Ergänzungsmitteln) setzt der HSV auf den psychologischen Vorteil der Tabellenführung: "Dieses Gefühl müssen wir jetzt ausnutzen - und mit weiteren Erfolgen ausbauen", hofft Beiersdorfer.