Der deutsche Rollstuhlbasketballer über Haarwuchsmittel, Eitelkeit und Konsequenzen aus seinem Vergehen.

Abendblatt:

Herr Coskun, nachdem Ihr positiver Test auf Finasterid (einen in Haarwuchsmitteln enthaltenen Stoff, der andere verbotene Substanzen verschleiern kann) bekannt geworden war, sind Sie von den Paralympics in Peking abgereist und anschließend abgetaucht. Was haben Sie dann gemacht?

Ahmet Coskun:

Für mich war das alles ein riesiger Schock. Ich wollte nur noch nach Hause zu meiner Familie, brauchte einfach etwas Zeit, um nachzudenken und das zumindest ein wenig zu verarbeiten.



Abendblatt:

Zu welchem Schluss sind Sie gekommen?

Coskun:

Dass dies alles eine große Dummheit war. Ich wollte definitiv nichts verschleiern, hätte aber daran denken müssen, dass im Haarwuchsmittel etwas Verbotenes drin sein könnte. Das muss man von einem Sportler, der jahrelang international gespielt hat, verlangen können. Ich werfe mir deshalb vor allem professionelles Fehlverhalten vor.



Abendblatt:

Von einem Juristen, der gerade an seiner Promotion schreibt, würde man eher Sensibilität für Verbotenes als Dummheit erwarten.

Coskun:

Das stimmt. Aber wahrscheinlich war gerade die Doppelbelastung aus Beruf und Sport das Problem. Das soll jetzt keine Rechtfertigung sein, aber eigentlich hatte ich meine Karriere in der Nationalmannschaft schon vor drei Jahren beendet, um mich auf meine Arbeit konzentrieren zu können. Zur Teilnahme in Peking wurde ich mehr oder weniger überredet. Meine Vorbereitung darauf war mental wie körperlich suboptimal. Es war alles einfach zuviel.



Abendblatt:

Dennoch ist gerade die Haarwuchsmittel-Problematik ein alter Hut. Selbst Fußballstars wie Romario wurden deshalb schon gesperrt.

Coskun:

Vom Zusammenhang von Haarwuchsmitteln und Doping habe ich wirklich nichts mitbekommen. Wenn das so wäre, würde ich nicht sagen, ich war ein Idiot, sondern krank. Leistungssteigernde Mittel würde ich nie nehmen. Mal abgesehen davon, dass ich glaube, dass die im Basketball nichts bringen, bin ich auch kein Profi, der mit dem Sport seinen Lebensunterhalt verdienen muss und deshalb nachhilft.



Abendblatt:

Es gibt aber auch genug Hobbysportler, die im Streben nach Erfolg und mehr Leistung zu Dopingmitteln greifen. Warum nicht auch Sie?

Coskun:

Seit meiner Erkrankung an Knochenkrebs bin ich Medikamenten gegenüber grundsätzlich kritisch eingestellt. Dieses Haarwuchsmittel benutze ich wie Shampoo. Nur dass eine Packung drei Monate reicht und 300 Euro kostet. Jeder, der mich ein bisschen kennt, weiß, dass ich es nehme. Ich will einfach noch keine Glatze haben, was auch mit Eitelkeit zu tun hat. Ich bekomme das Mittel seit vier Jahren ärztlich verordnet, wurde allerdings zuvor noch nie auf Doping getestet.



Abendblatt:

Welche Konsequenzen erwartet der Jurist Coskun für den Sportler?

Coskun:

Die Mindestsperre beträgt nun sechs Monate. Ich denke, dass es sich auch in diesem Rahmen bewegen wird. Dies ist aber nicht so entscheidend, weil Peking ohnehin für mich der Abschluss sein sollte. Viel schwerer wiegt für mich der Schaden für den Sport, den Verband, meine Mitspieler. Das bedrückt mich zutiefst.



Ahmet Coskun wurde in Ostanatolien (Türkei) geboren und wuchs in Husum auf. Wegen Knochenkrebs musste ihm im Alter von neun Jahren ein Bein amputiert werden. Der frühere Fußballer sattelte anschließend auf Rollstuhlbasketball um, spielte unter anderem beim RSC Hamburg und wurde mit der Nationalmannschaft einmal EM-Zweiter. Heute arbeitet der 33 Jahre alte Deutschkurde in der Hansestadt als Anwalt und schreibt derzeit an seiner Doktorarbeit.