Heiko Hansen hat ein gewinnendes Lachen, einen festen Händedruck und eine warme Stimme, die er gedämpft einsetzt. Er ist mittelgroß, nicht schlank...

Hamburg. Heiko Hansen hat ein gewinnendes Lachen, einen festen Händedruck und eine warme Stimme, die er gedämpft einsetzt. Er ist mittelgroß, nicht schlank und nicht dick, trägt eine randlose Brille und eine übersichtliche Frisur. Der 43-Jährige ist ein Mann, der auf den ersten Blick nicht auffällt. Dennoch lohnt es sich, näher hinzuschauen, denn Hansen beackert ein Feld, das im Profisport immer wichtiger wird. Er ist Mentalcoach und kümmert sich in dieser Funktion um ausgewählte Profis aus den Hamburger Boxställen Universum und Spotlight. Auch heute, wenn Fliegengewichts-Weltmeisterin Susi Kentikian ihre Titel verteidigt (siehe Infokasten), wird Hansen am Ring sitzen.

Der gebürtige Nordfriese, der in Bad Bramstedt lebt und als selbstständiger Diplom-Sozialpädagoge das Deutsche Sport- und Business-Institut leitet, kam vor zwei Jahren in Kontakt mit den Boxern, weil der damalige Universum-Physiotherapeut Matthias Böhme seine Dienste angepriesen hatte. Zunächst arbeitete er in der Trainingsgruppe von Michael Timm, bald interessierten sich andere Trainer für Hansens Lehre. Heute sind es neun Athleten, die er betreut.

Acht bis zehn Wochen vor einem Kampf beginnt die gemeinsame Arbeit. In der Regel trifft Hansen den Sportler ein- bis zweimal die Woche für je eineinhalb bis zwei Stunden, meist in dessen Privatwohnung, um die Atmosphäre so angenehm wie möglich zu gestalten. Sein Programm ist auf vier Säulen aufgebaut: Atemtraining, Bio-Feedback, Hypnose und Gespräch.

"Man kann aus dem Atem viel positive Motivation und Entspannung ziehen, aber bei falscher Technik auch viel Kraft lassen", sagt Hansen. Durch die richtige Atemtechnik - kurz: tief in den Bauch, nicht ins Zwerchfell - habe beispielsweise Kentikian ihr Verhalten in den Ringpausen umgestellt und so eine Optimierung ihrer Konditionseinteilung erreichen können.

Beim Bio-Feedback sind die Sportler über zwei Eisenkugeln, die sie in den Händen halten, sowie einen am Ohr befestigten Clip mit einem Laptop verbunden. Die Kugeln messen die Herzfrequenz, der Clip den Puls. Beide Werte zusammen ergeben eine Kohärenz, die darstellt, ob der Sportler sich in An- oder Entspannung befindet. Anschaulich gemacht wird diese Kohärenz durch eine Erdkugel auf dem Bildschirm, die sich umso schneller dreht, desto angespannter der Sportler ist. Ziel ist es, die Kugel über eine vorher festgesetzte Zeitspanne in Ruhestellung zu halten, um Tiefenentspannung zu erlangen.

In der Hypnose versucht Hansen, mit verschiedenen Bildern, die er im Kopf des Sportlers durch ständige verbale Wiederholung verankert, die individuellen Stärken zu vertiefen oder auch Probleme zu beheben. Fühlt sich Kentikian beispielsweise müde und antriebslos, obwohl ihr eine Trainingseinheit bevorsteht, lässt er sie an einen erfrischend kalten Waldsee denken, durch den sie schwimmt, und an dessen Ende ein Wasserfall zur Abkühlung wartet. "Ob Susi dabei liegt und die Augen schließt oder Schwimmbewegungen imitiert, sie wird sich am Ende der Übung ausgeruht und frisch fühlen", sagt Hansen. Die Weltmeisterin, die sich vor Kämpfen auch gern in einen tranceartigen Tiefschlaf versetzen lässt, bestätigt die Wirkung der Übungen.

In den Gesprächen geht der Mentalcoach entweder auf aktuell drängende Probleme ein, die auch privater Natur sein können, oder er nutzt die Zeit, um den Sportler zu motivieren. Steht zum Beispiel ein Kampf gegen einen unterlegen eingeschätzten Gegner an, sorgt Hansen für Zusatzmotivation. "Man muss gegen jeden Gegner mit voller Konzentration reingehen, wenn man ein großer Sportler sein will. Denn wer einen unterlegenen Gegner nicht überzeugend schlägt, wird nie das Selbstbewusstsein eines Weltmeisters aufbauen", sagt er. Helfen können dabei Zwischenziele wie ein Knockout in einer frühen Runde. Hansen möchte erreichen, dass bei allem Respekt vor dem Gegner die eigenen Stärken herausgearbeitet und umgesetzt werden. "Respekt bedeutet nämlich auch, dass man alles gibt, was man kann, weil man so dem Gegner zeigt, dass man ihn ernst nimmt."

Den Glauben an die eigene Stärke stellt Hansen in den Mittelpunkt seiner Arbeit mit den Athleten. Wille, Neugier und Vertrauen erwartet er von seinen Klienten. Sind diese Säulen nicht vorhanden, beendet er die Zusammenarbeit, die auf freiwilliger Basis erfolgt, oder er rät dem Sportler, die mentale Arbeit nicht fortzusetzen. Bislang hat nur Schwergewichtler Egon Roth diesen Schritt gemacht. Er hat seine Karriere mittlerweile beendet.

Wert legt der Mentalcoach auf die Feststellung, niemals Einfluss auf die sportliche Vorbereitung zu nehmen. "Meine Aufgabe ist erledigt, wenn der Sportler zu 100 Prozent mental vorbereitet ist", sagt er. Dass Trainer dennoch Kompetenzbeschneidungen fürchten, versucht er zu verhindern, indem er sie in alle seine Maßnahmen einweiht. "Ich bin ein Assistent und sehe mich als Teil eines Kompetenzteams, in dem der Trainer das Sagen hat", beschreibt er. Hansen will auch kein "Wunderheiler" oder "Soforthelfer" sein. Seine Arbeit sei langfristig angelegt und basiere darauf, immer mit dem Charakter des Sportlers zu arbeiten. "Ich will niemanden ändern, sondern nur Vorhandenes formen, deshalb nehme ich alle Menschen so, wie sie sind", sagt er.

Ein altes Sprichwort, das auch die Klitschko-Brüder häufig benutzen, könnte als Hansens Leitmotiv gelten. "Die Augen sind der Spiegel der Seele", sagt er. An den Augen könne er häufig schon während des öffentlichen Wiegens oder beim Walk-in sehen, wie ein Kampf ausgeht. Manchmal ist es eben doch schon der erste Blick, der zählt.