Von Dresden bis San Diego: Was aus den Hamburg Sea Devils von 2007 geworden ist.

Hamburg. Die Bitterkeit, versichert Kathrin Platz, sei längst verflogen. Es sind die schönen Erinnerungen, die sie am kommenden Montag beim Videoabend mit den Weggefährten von einst noch einmal aufleben lassen will. Vor allem jenen Glücksmoment, der dann auf den Tag ein Jahr zurückliegt: als ihre Sea Devils in Frankfurt die World Bowl gewannen. Wenige Tage später war die NFL Europa Geschichte und das Experiment Profifootball in Hamburg nach nur drei Jahren gescheitert. Geschäftsführerin Platz (43) und ihre Mitarbeiter standen vor dem Nichts.

Die Helden von Frankfurt waren zu diesem Zeitpunkt schon in alle Winde verstreut, im Gepäck den Siegerring und den Traum von einer Karriere in der National Football League (NFL). Wahr geworden ist er nur für 14 der 48 Sea Devils der Generation 2007: Sie stehen bei einem der 32 Teams in der US-amerikanischen Profiliga unter Vertrag.

Casey Bramlet (27) zum Beispiel. Dem Quarterback war nach seiner Galaleistung im Finale eine glänzende Zukunft vorausgesagt worden. Ein Jahr später hat Bramlet zwar noch keine Partie bestritten, dafür aber die brutalen Spielregeln der NFL ausgiebig kennengelernt. Von den Washington Redskins im August entlassen, durfte er sich jeweils ein paar Wochen in Atlanta und Miami versuchen. Ende April unterschrieb er schließlich bei den San Diego Chargers. Es könnte die Endstation seiner Karriere sein, sollte sich Bramlet erneut nicht durchsetzen.

Auch Marcus Maxwell, Bramlets kongeniale Anspielstation im Sea-Devils-Angriff, wartet noch auf den Durchbruch. Von San Francisco aussortiert, kam der 24-Jährige bei den Cincinnati Bengals unter und stand in fünf Spielen sogar auf dem Feld. Wide-Receiver-Kollege Justin Jenkins (27, Buffalo), Cornerback Brent Grimes (24, Atlanta) und Defensive Tackle Gary Gibson (25, Carolina) können ebenfalls Einsätze vorweisen. Der einzige Deutsche im Kader, Defensive End Ben Ishola (27), könnte in Indianapolis eine Bewährungschance bekommen.

Völlig unverhofft erhielt Aden Durde kürzlich eine Einladung in den Trainingskader der Kansas City Chiefs. Der Linebacker hatte bereits damit begonnen, sich ein neues berufliches Standbein aufzubauen, und in seiner Heimatstadt London eine Footballschule eröffnet. Mit seinen 28 Jahren dürfte es für den Engländer die letzte Chance auf einen Profivertrag sein.

Landsmann Scott McCready, einer der erfolgreichsten Wide Receiver der NFL Europa, ist dem Sport nur noch als Kokommentator für das englische Fernsehen verbunden. Der 31-Jährige beginnt in Kürze eine Pilotenausbildung in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Auch Linebacker Byron Hardmon (27) und Quarterback Mike McGann (25) wechselten das Fach und sind inzwischen als Immobilienmakler tätig.

Einige Meeresteufel sind in unterklassigen Ligen abgetaucht. Immerhin fünf Spieler konnten in der kanadischen CFL anheuern. Dort fanden auch Headcoach Vince Martino (61) und seine Kotrainer Dan Daniel (68) und Michael Sinclair (40) Unterschlupf - wenn auch nur auf Assistentenposten.

Zwei suchten im Land ihres größten Erfolgs ihr Glück. Running Back Tony Hollings (26) macht nun für die Dresden Monarchs in der GFL Boden gut. Li nebacker Kenneth Kern (24) verirrte sich gar in die Zweite Liga zu den Hamburg Eagles.

Pech hatte dagegen Shawn Mayer, über drei Jahre hinweg Kopf der Sea-Devils-Defense. Der Passverteidiger hatte wie vier seiner Hamburger Mitspieler bereits einen Vertrag für die neue AAFL in der Tasche. Doch der für dieses Frühjahr vorgesehene Start der Profiliga wurde kurzfristig verschoben. Derzeit ist Mayer (29) vor allem damit beschäftigt, sein Haus in Hillsborough wieder aufzubauen, das im Februar durch ein Feuer verwüstet wurde.

Ob die AAFL wie geplant 2009 angepfiffen wird, ist zweifelhaft. Zumal im Februar der Kick-off zur neuen United Football League (UFL) erfolgen soll, die zeitlich und räumlich die Marktlücken im US-Profifootball schließen will. Die NFL unterstützt das Projekt ausdrücklich: Nach der Schließung der Europafiliale wird dringend eine Spielwiese gebraucht, um Athleten, Trainer und Schiedsrichter auszubilden.

Eine Chance auch für Patrick Esume. Der Sea-Devils-Kotrainer wurde von den Cleveland Browns für Ende Juli erneut zu einem sechswöchigen Praktikum in die USA eingeladen - verbunden mit der Perspektive, in einem UFL-Team unterzukommen. "Das wäre eine Riesenchance", sagt der Hamburger, der derzeit bei den Kiel Baltic Hurricanes coacht.

Dass der deutsche Amateurfootball vom Aus des World-Bowl-Siegers profitieren konnte, mag Esume nicht erkennen: "Die Fan-Euphorie ist nicht übergeschwappt, und spielerisch ist das Niveau nicht gestiegen. Ich hoffe, dass es irgendwann wieder eine Profiliga in Deutschland gibt."

Auf absehbare Zeit reicht es wohl nicht einmal für ein Gastspiel der NFL. Die Hamburger Bewerbung um eine Partie der regulären Saison wurde von der Ligazentrale zwar ausdrücklich gelobt, jedoch abgelehnt. Das Interesse der hiesigen Fernsehsender war zu gering.