Auch nach dem Vorrunden-Aus bei der Europameisterschaft erweisen sich die Schweizer als großartige Gastgeber.

Basel. Hut ab vor den Schweizern! Wer so enthusiastisch feiern kann, auch wenn andere siegen, verdient den Orden für maximalen Sportsgeist. Wie die furiose Fußball-Fiesta am Barfüßerplatz in Basels Zentrum beweist. "Hopp, Schwiz, hopp!" hallt es im Bezirk zwischen Heuwaage, Schützengraben und Münsterplatz durch die Gassen. Arm in Arm wird das Band internationale Sympathie hochgehalten. Schweizer jubeln mit Portugiesen, Deutsche mit Franzosen, Niederländer mit Italienern. Trotz allem. Spontan braust La Ola, die Welle der Begeisterung, durch die Falknerstraße. Und das am Tag nach dem EM-Aus. Bier fließt in Strömen, aber nicht maßlos.

"Fast wie Fasnacht", meint ein älterer Mann in der Straßenbahn Richtung Rhein. Er lächelt verständnisvoll. Wie so oft in diesen tollen Tagen kommt man im Nu mit Fremden ins Gespräch. Von wegen defensive Eidgenossen! Gemächlich zuckelnd nähert sich die Tram der Mittleren Rheinbrücke. Im Gegensatz zur Party in der City werden die Tribünen am Flussufer nur spärlich genutzt.

Auch ein paar Kilometer stromabwärts steht Völkerfreundschaft im Blickpunkt. An Rheinkilometer 155 demonstrieren ein Hamburger und ein Schweizer, wie Brücken gebaut werden. Ganz pragmatisch. Auf 200 Metern schaffen beide mit ihrer 110 PS starken Motorfähre Verbindung zwischen dem schweizerischen Kaiseraugst und dem deutschen Herten. Barrieren oder Grenzen - was ist das?

"Moin!" pflegt Jürgen Tiedtke (59) zur Begrüßung zu sagen, wenn er seinen Geschäftspartner Hans Gilgen (69) trifft. Antwort: ein herzhaftes "Grüezi!" Tiedtke war jahrelang Rhein- und Elbkapitän, zudem Direktor der Reederei Dettmer in Hamburg, bevor es ihn nach Lörrach im Südwesten der Republik verschlug. Partner Hans Gilgen fädelte den völkerverbindenden Deal ein. Für den symbolischen Preis von einem Franken erwarben die hanseatisch-schwizer Seebären den wendigen Kahn vom Wasserkraftwerk Augst-Whylen für die Gemeinde Kaiseraugst. Jetzt dürfen auch mal die Kinder ans Ruder; außerdem werden an Bord zünftige Piraten-Geburtstage gefeiert.

Den zweiten Draht vom Dreiländereck bei Basel gen Hansestadt zieht Markus Gilgen (33), Sohn des eidgenössischen Fährmanns und als Norddeutschland-Chef der Schweiz Tourismus an der Rothenbaumchaussee 95 ansässig. Von dort trägt Fußballfan Gilgen Sorge, dass es immer mehr Hamburger in die Schweiz zieht. Auch wenn Vater und Sohn das Aus ihrer "Nati" schmerzlich traf, favorisieren sie grenzlosen Sportsgeist. "Hauptsache, die Euro gewinnt", sagt der Junior.

Das meint auch ein weiterer "halber Hamburger" mit Wohnsitz in Riehen vor den Toren Basels. Peter Knäbel, zwischen 1988 und 1993 Regisseur in den Reihen des FC St. Pauli und immer noch stolzer Besitzer einer Wohnung in Hamburg-Osdorf, hat es zum Vorstandsmitglied des aktuellen Schweizer Meisters und Pokalsiegers FC Basel gebracht. Als Treffpunkt schlug er eines der ältesten Hotels Europas vor, das "Les Trois Rois" ("Drei Könige") im Herzen Basels vor. Von der Lounge des mit fünf Sternen gekrönten Grandhotels aus hat man einen königlichen Blick aufs Wasser, die Fanmeile, die Tribünen und die Leinwände auf der Mittleren Rheinbrücke.

"Moin!" hallt es fröhlich durch die Hotelhalle. Manager Knäbel (41), bei der FC Basel AG für den gesamten Nachwuchsbereich zuständig (200 Juniorenspieler, acht Profitrainer), hat Ehefrau Petra, eine Schweizerin, und die höchst aufgeweckten Kinder Selina (12) und Aaron (9) im Schlepptau. Nur Katze Adventure (4) musste in der Terrassenwohnung bleiben.

Nachdem die Kellnerin Rivella-Brause sowie Rooibos-Tee mit Vanillegeschmack serviert hat, geht's im Sauseschritt durch die Fußballwelt. Knäbel, nach wie vor bekennender St.Paulianer und gebürtiger Ruhrpottler aus Witten, erzählt von der tiefen Verwurzelung des FCB in der Stadt. Obwohl nur ein Zehntel von Hamburgs Einwohnerzahl, liegt der Dauerkartenanteil im für 150 Millionen Euro neu gebauten St. Jakob-Park ("Joggeli") bei 40 Prozent (23 000 Tickets). Ähnlich der Allianz-Arena in München wird das Stadion bei Dunkelheit in den Vereinsfarben blau-rot illuminiert.

Von St. Pauli über Saarbrücken, 1860 München, St. Gallen und Nürnberg als Spielertrainer nach Winterthur gelangt, kam das Vorstandsangebot für "PK" aus Basel 2003. Nach einem Drink vor dem 500 Jahre alten Rathaus wird "Ade" gesagt. Zum "Tschüs, grüß' Hamburg!" klingelt Knäbel mit dem Schlüsselbund. Daran hängt ein Schild mit dem Logo des FC St.Pauli.