Hamburg. Es gibt Menschen, die sich im Internet in die virtuelle Welt des "Second Life" stürzen, um dort Ablenkung vom Alltag zu finden. Janne Müller-Wieland hat derlei Ausflüge nicht nötig. Die 21-Jährige lebt seit zwei Jahren zwei Leben nebeneinander. Von Montag bis Freitag das als BWL-Studentin in Düsseldorf, am Wochenende jenes als Spielführerin der Bundesliga-Hockeydamen des Uhlenhorster HC dort, wo ihr Team gerade auflaufen muss.

An diesem Sonnabend (17 Uhr) steht ein ganz besonderes Heimspiel an. Im zweiten Halbfinale um die deutsche Feldmeisterschaft treffen die UHC-Damen auf der eigenen Anlage am Wesselblek auf Rot-Weiß Köln. Zum ersten Mal seit 1984 hat ein Damenteam des Traditionsklubs wieder den Sprung in die Endrunde geschafft, und so ist es nicht vermessen, wenn die Kapitänin davon spricht, "dass wir Geschichte schreiben". Für sie, die als Fünfjährige beim UHC erstmals den Krummstock in die Hand nahm, und ihre Hockey-verrückte Familie - Vater Horst ist UHC-Präsident, Mutter Anja kümmert sich um Sponsoren, Bruder Johannes ist "Stadionsprecher" und Schwester Roda spielt im selben Team - geht ein Traum in Erfüllung. "Schon als Kind wollte ich um den Titel spielen. Jetzt ist er greifbar", sagt Janne.

Dass es überhaupt so weit kommen würde, hatte zu Saisonbeginn niemand erwartet. "Wir sind eigentlich mehr ein Party-Team, nehmen den Sport manchmal gar nicht so ernst", sagt Müller-Wieland, die mit ihren 21 Jahren eine der ältesten Spielerinnen im Team von Lars Reinecke ist. Doch mit jedem Sieg wuchs der Glaube daran, "die Endrunde nicht nur als Ballmädchen miterleben zu müssen". Weil Müller-Wieland als Abwehr-Organisatorin einen großartigen Job machte - 21 Gegentore in 18 Spielen sind der ligaweit drittbeste Wert -, sind die Hamburgerinnen für den Trainer des Lokalrivalen Club an der Alster, der im ersten Halbfinale (Sa, 14 Uhr) auf den Berliner HC trifft, auch eine Art Geheimfavorit. "Sie werden Köln schlagen, weil sie unbeschwert aufspielen können", sagt Jens George.

Die Geschlossenheit des jungen Teams ist der Hauptgrund dafür, dass Müller-Wieland Woche für Woche die Reisestrapazen auf sich nimmt. Die Kosten für die Flug- oder Bahntickets übernimmt der Klub. Trainieren darf die Nationalspielerin, die sich durch eine starke Endrunde für eine Teilnahme an den Olympischen Spielen in Peking (8. bis 24. August) empfehlen will, bei Zweitligaklub Schwarz-Weiß Neuss, für den sie auch die abgelaufene Hallensaison absolvierte. An jenen Wochenenden reifte desöfteren der Gedanke, komplett in den Westen zu wechseln.

Doch während UHC-Teammanagerin Ann-Britt Geppert den Abgang der Führungsspielerin bereits im März als perfekt verkündete, ist sich Müller-Wieland selbst da längst nicht sicher. "Ich befürchte, dass das Team auseinanderfällt, wenn ich gehe. Und wenn wir den Titel holen und uns für nächstes Jahr verstärken, dann würde ich bestimmt ins Grübeln kommen", sagt sie, "zumal ich spätestens nach dem Studium nach Hamburg zurückkommen will." Am 1. August läuft die Wechselfrist ab, "und wie ich mich kenne, entscheide ich mich erst am 29. Juli aus dem Bauch heraus". Ein erfolgreiches Wochenende könnte sicherlich als Entscheidungshilfe dienen.