Hamburg. Es gibt Dinge im Leben, über die man nicht reden möchte, um sie aus dem Sinn zu verbannen. Für Sebastian Biederlack ist ein mögliches Verpassen der Olympischen Spiele in Peking ein solches Thema. "Die persönliche Enttäuschung wäre maßlos", sagt der 26 Jahre alte Hockey-Nationalspieler vom Club an der Alster, um im Nachsatz eingangs beschriebene Unlust nachzuschieben.

Dass Deutschlands Hockeyherren nicht umhin kommen, sich um ein Olympia-Aus immerhin Gedanken machen zu müssen, haben sie sich selbst zuzuschreiben. Durch Rang vier bei der EM in Manchester im vergangenen Herbst verpasste das Team von Markus Weise die direkte Qualifikation für China - und muss sich deshalb von Sonnabend an im japanischen Kakamigahara, einer 150 000 Einwohner zählenden Industriestadt nördlich der Metropole Nagoya gelegen, durch das letzte Qualifikationsturnier mühen (siehe Infokasten).

Seit vergangenen Freitag ist das 18 Spieler, zwei Kotrainer, zwei Physiotherapeuten, einen Teamarzt, einen Teammanager, einen Videospezialisten und Sportdirektor Rainer Nittel umfassende Team vor Ort, um sich an die frühlingshaften klimatischen Umstände zu gewöhnen. Ein Versagen ist für keins der Teammitglieder denkbar. "Wir sind als Weltmeister der Favorit. Bei der EM haben wir diesem Druck nicht standhalten können, deshalb müssen wir uns nun in Japan bewähren", sagt Biederlack. Dabei sei niemand im Team verärgert darüber, nachsitzen zu müssen. "Im Gegenteil, alle sind heiß darauf, sich zu beweisen. Wir gehen in jedes Spiel mit dem Ziel, Vollgas zu geben und zu siegen", sagt Biederlack.

Für den in Altona geborenen Mittelfeldspieler, der in Rissen aufwuchs und im Jahr 2000 zum Club an der Alster wechselte, ist diese Maßgabe allerdings nichts Neues. Der 176 cm große Athlet gilt als willens- und kampfstarker Arbeiter, der immer dann am meisten auffällt, wenn er mal nicht mitwirken kann - weil dann die ordnende und lenkende Hand im Spiel fehlt. Als sein größtes Manko bezeichnet der abseits des Hockeyplatzes sehr überlegt und zurückhaltend wirkende Lockenschopf die Torungefährlichkeit. "Die Gegner bekommen nicht zwingend Angst, wenn ich in den Schusskreis eindringe", beschreibt er dieses selbstironisch. Wäre Sebastian Biederlack ein HSV-Fußballprofi, wäre er David Jarolim - das Unterleibskneifen vom vergangenen Wochenende natürlich ausgeklammert.

Typen wie ihn braucht jedes Team, und deshalb will der Politik- und VWL-Student, der derzeit seine Diplomarbeit schreibt, seine aktive Karriere auch mit dem Beginn der beruflichen Laufbahn im kommenden Jahr nicht beenden. Ein längerer Auslandsaufenthalt sei ebenso denkbar wie ein Traineeprogramm im Bereich Unternehmensberatung, aber der Sport soll wichtiger Teil des Lebens bleiben. Die privaten Entbehrungen, die dieser fordert, nimmt Biederlack klaglos in Kauf, ebenso die finanziellen Einschränkungen, die sich daraus ergeben, dass bis auf eine Trainerstunde für ein Hobbyteam im Club an der Alster keine Zeit für einen Nebenjob bleibt. So lebt er von der Unterstützung des Team Hamburg, der Sporthilfe und seines Vereins - und auch vom grenzenlosen Verständnis seiner Partnerin Martina Heinlein, mit der er in Eppendorf lebt. Heinlein ist selbst Hockey-Nationalspielerin und weiß deshalb mit Entbehrungen umzugehen.

2004 in Athen hat Biederlack seine ersten Olympischen Spiele erlebt und sich damit den sportlichen Lebenstraum erfüllt. Er will dennoch die Reise nach Peking nicht missen, weil ihn der Vergleich zu 2004 interessiert, "aber auch die Sportstätten und vor allem, welchen Einfluss die kulturellen Unterschiede auf die Infrastruktur des Olympischen Dorfes haben." Im kleinen Kreis wird im Team viel über die wegen der Tibet-Krise erhobenen Boykott-Forderungen diskutiert. Biederlack hat dazu eine eigene Ansicht. "Natürlich will kein Sportler seinen Olympia-Traum aufgeben, aber wir müssen uns der Menschenrechts-Situation bewusst sein. Alle Athleten, die teilnehmen, sollten sich über die Lage genau informieren. Zur Besserung der dortigen Situation können aber wohl eher die Politik und Wirtschaft einen entscheidenderen Beitrag leisten", sagt er. Zunächst jedoch muss das Team in Japan daran arbeiten, die Qualifikation nicht zu verpassen. Doch darüber möchte Sebastian Biederlack nicht reden.