Die Schachwelt hat eine ihrer schillerndsten Figuren verloren. Der US-Amerikaner Robert James, genannt “Bobby“ Fischer, Weltmeister von 1972 bis 1975, starb am Donnerstag im Alter von 64 Jahren in einem Krankenhaus der isländischen Hauptstadt Reykjavik an Nierenversagen.

Reykjavik. Die Schachwelt hat eine ihrer schillerndsten Figuren verloren. Der US-Amerikaner Robert James, genannt "Bobby" Fischer, Weltmeister von 1972 bis 1975, starb am Donnerstag im Alter von 64 Jahren in einem Krankenhaus der isländischen Hauptstadt Reykjavik an Nierenversagen.

Fischer hatte 1972 in Reykjavik das "Match des Jahrhunderts" gegen den Russen Boris Spassky gewonnen und sich als Erster und bis heute einziger US-Amerikaner den Titel gesichert. Damit durchbrach er die 24 Jahre lange sowjetische Vormachtstellung, ausgerechnet zu Hochzeiten des Kalten Krieges. Der Sieg machte ihn weltweit populär. Die USA feierten ihn als Held.

"Fischer ist das größte Genie, das je vom Schachhimmel herabgestiegen ist", sagte einst Michail Tal, sowjetischer Weltmeister von 1960 bis 1961. Fischer musste die Schachkrone 1975 kampflos abgeben, weil er sich mit dem Weltverband Fide nicht über die Modalitäten einer Titelverteidigung gegen den Russen Anatoli Karpow einigen wollte. Jahrelang war er danach nicht auffindbar.

1992 feierte Fischer nach 20 Jahren Abwesenheit vom Schachbrett ein überraschendes Comeback. Im ehemaligen Jugoslawien trat er zu einem hochdotierten Schaukampf erneut gegen seinen Freund Spassky an, gewann abermals und kassierte 5,5 Millionen Dollar Prämie. Mit dem Auftritt in Montenegro verstieß er jedoch gegen das US-Embargo, das kommerzielle Aktivitäten mit Jugoslawien untersagte. Fischer wurde mit weltweitem Haftbefehl der US-Bundespolizei FBI gesucht, durfte nie mehr in sein Heimatland zurückkehren und versteckte sich in der ganzen Welt, auch in Süddeutschland. Dort traf er sich mit dem Karl-May-Verleger Lothar Schmid. Der deutsche Großmeister war 1972 Schiedsrichter bei Fischers WM-Match.

2004 wurde Fischer in Japan festgenommen. Spassky schrieb daraufhin einen offenen Brief an US-Präsident George W. Bush: "Bobby und ich begingen dasselbe Verbrechen. Verhaften Sie mich." Spassky bot an, mit Fischer in eine Zelle gesperrt zu werden. Nach monatelangem Tauziehen um seine Auslieferung an die USA erhielt Fischer Hilfe aus Island. Der nordeuropäische Inselstaat verlieh ihm per Parlamentsbeschluss 2005 die Staatsbürgerschaft.

Schon früh hatte Fischer sein Schachtalent offenbart. Mit 14 Jahren wurde er jüngster US-Meister und stieg zum Großmeister auf. Für seine Schachkarriere brach das Genie, dem ein höherer Intelligenzquotient als Albert Einstein nachgesagt wurde, seine Schulausbildung ab. "Mit elf Jahren wurde ich einfach gut. Ich rechne überhaupt nicht voraus. Ich gewinne auch so", prahlte Fischer.

Garri Kasparow, von 1985 bis 2005 stärkster Schachspieler der Welt, hat Fischer in einem Nachruf für dessen "bahnbrechende Erfolge" gelobt. "Ungeachtet seiner relativ kurzen Karriere und seiner widersprüchlichen Persönlichkeit hat Fischer ein gewaltiges Erbe im Schach hinterlassen", schrieb der heutige russische Oppositionspolitiker. Fischer habe sich zudem als Mitglied der kleinen Schachspieler-Gewerkschaft stets für seine Mitspieler eingesetzt. Es gelang ihm, die Spielbedingungen und Verdienstmöglichkeiten für sich und seine Kollegen dramatisch zu verbessern.

Obwohl Fischer, wie viele große Schachmeister vaterlos aufgewachsen, eine jüdische Mutter hatte, galt er als Antisemit und war spätestens seit seinem Bruch mit der Heimat im Jahr 1992 auch antiamerikanisch eingestellt. In einem Interview mit japanischen Medien hatte er sogar den Terroranschlag vom 11. September 2001 in New York begrüßt.