Der Kapitän hat sich mit seiner Rolle als Identifikationsfigur angefreundet.

Hamburg. Still lag die Außenalster gestern im Licht der Herbstsonne, und während Alexander Barta auf dem Steg des Cafe "Cliff" auf einem Liegestuhl für den Fotografen posierte, drängte sich beim Betrachter sofort dieses Sprichwort auf, mit dem der Kapitän der Hamburg Freezers so treffend beschrieben werden kann. "Stille Wasser sind tief", heißt es im Volksmund, und tatsächlich ist dieser 24 Jahre alte Eishockeyprofi ein Mensch, dem man mit schnellen Blicken nicht auf den Grund gehen kann. Weil er sich in diesen Tagen anschickt, den nächsten Schritt in seiner Entwicklung zu nehmen, ist eine intensivere Betrachtung vonnöten.

Barta kam im Sommer 2005 aus Berlin nach Hamburg. Bei den Eisbären hatte er seinen Sport von der Pike auf gelernt, und alle hätten erwartet, dass er dort der Nachfolger von Urgestein Sven Felski werden würde. Er entschied sich anders, weil er "nicht spürte, dass man mich mit allen Mitteln halten wollte, und weil das Angebot aus Hamburg alle meine Wünsche erfüllte." Bei den Freezers wurde der Zugang als Transfer mit Signalwirkung gefeiert. Barta galt schon damals als kommender Kapitän des Nationalteams, und in Hamburg sollte er als hochtalentierter Deutscher zur Identifikationsfigur aufgebaut werden.

Viel Druck für einen jungen Mann, doch Barta kam damit zurecht. Er überzeugte durch seinen Einsatzwillen, seine Technik und seine Schnelligkeit, und wurde Ende 2006 von Trainer Bill Stewart zum Spielführer ernannt. Doch mit dem neuen Amt wuchs die Verantwortung. Barta stand noch mehr im Fokus, seine Meinung wurde noch gefragter als früher, gleichzeitig aber auch kritischer begutachtet. Es sei seine Schwäche, manchmal zu schnell über Dinge zu meckern, sagt Barta über sich, und dass ihm die Diplomatie eines Vorzeigeprofis fehlt, belegen diverse kritische Aussagen über Fans und das Team, die andere Kapitäne wohl hinuntergeschluckt hätten. "Ich bin ehrlich und sage offen, was ich denke. Aber ich weiß, dass ich manchmal über die Stränge schlage", gibt Barta zu. "Political correctness" zu lernen sei ein wichtiges Ziel, sagt er, "aber ganz abstellen will ich meine Offenheit auch nicht, weil ich dann nicht mehr ich selbst wäre." Es ist ein schmaler Grat, Identifikation zu stiften, obwohl man polarisiert. Und dennoch ist Barta das perfekte Sinnbild eines "Eisschranks": Cool, manchmal unterkühlt, aber immer auf Betriebstemperatur.

Es zeichnet den Angreifer aus, dass er seinen eigenen Kopf behält, auch wenn er ihn dadurch manchmal riskiert. Er nimmt es in Kauf, dass die Fans ihn für seine Leistung zwar respektieren, aber nicht lieben. Ihm reicht es, "dass die, die Entscheidungen treffen, meine Leistung anerkennen." Dass jüngst Fans im Internet diskutierten, ob der Kapitän aufgrund seines Alters von den NHL-erfahrenen Nordamerikanern im Team respektiert würde, findet Barta albern. Er sehe sich sowieso als Teil einer Gruppe von Leistungsträgern, die das Team führen. "Und da respektiert jeder jeden." In den vergangenen Wochen war jedoch deutlich zu sehen, dass Barta daran arbeitet, den nächsten Schritt zu machen. Er spricht auf dem Eis wesentlich mehr mit den Schiedsrichtern und versucht so, sich auch über die sportliche Leistung hinaus Respekt zu verschaffen.

Überhaupt hat man das Gefühl, dass Barta in seiner dritten Saison angekommen ist in Hamburg. Er wirkt nicht mehr wie eine ständige Leihgabe aus der Hauptstadt, sondern wie ein Mensch, der die Trennung von seiner großen Liebe verkraftet hat und sich mit allen Sinnen Neuem zuwendet. "Ich merke, dass ich nicht mehr zu 100 Prozent Berliner bin, sondern in Hamburg ein Stück Heimat gefunden habe", sagt er. Es stört ihn, dass er sich bislang zu wenig Zeit genommen hat, um die Stadt richtig kennen zu lernen, weil er an freien Nachmittagen lieber auf dem Sofa in seiner Niendorfer Wohnung liegt. Das soll sich ändern, wenn Freundin Mandy im kommenden Jahr von Berlin nach Hamburg zieht, weil sie in Lübeck studieren wird. Es ist das letzte Zeichen dafür, dass der Kapitän plant, noch lange in Hamburg an Bord zu bleiben. Sein Vertrag läuft bis 2010, doch "derzeit kann ich mir nicht vorstellen, jemals irgendwo anders zu spielen", sagt er. Für immer Hamburg also? Alexander Barta lächelt nur. Still.