Der innovative Kopf des Titelverteidigers “Alinghi“ kommt aus Blankenese.

Hamburg. Die Zuversicht im Lächeln von Rolf Vrolijk spricht Bände. "Technisch gesehen muss uns überhaupt nicht bange sein", sagt der Hamburger Chefdesigner des Schweizer America's-Cup-Verteidigers "Alinghi", der von Sonnabend an im Finale der berühmtesten Segelregatta der Welt gegen Herausforderer "Team New Zealand" antritt. Der 61-Jährige ist davon überzeugt, seine Crew mit der schnellstmöglichen Hightech-Jacht ausgestattet und damit den Grundstein für eine Titelverteidigung gelegt zu haben.

Was gibt dem Konstrukteur diese Gewissheit? "Wir haben unseren Gegner genauestens analysiert, aber nichts Verblüffendes entdeckt", so Vrolijk, "das neuseeländische Boot segelt schnell, besonders bei leichtem Wind, aber insgesamt nicht schneller als unseres." Dies zweifelsfrei festzustellen, dazu gehört sowohl eine exakte Messtechnik, die den Bootsspeed auf ein Hundertstel Knoten herunterbricht, als auch vergleichbarer Segelbedingungen. Weil der Wind aber oft schon in 100 Meter Abstand leicht dreht oder abflaut, muss wieder und wieder gemessen werden.

Eine der wichtigsten Tagesarbeiten eines Designteams ist, Statistiken zu führen. Allein drei Mann hat "Alinghi" für die seglerische Buchführung abgestellt. Ihr Arbeitsplatz sieht aus wie der Regieraum eines TV-Senders. Alle verfügbaren Bilder von der Regattabahn werden auf einer Monitorwand gezeigt, dazu das virtuelle Auge, die Echtzeitanimation der Matchraces mit Angaben von den Abständen der Boote bis zu Windstärken.

Untersucht wird nicht nur die Geschwindigkeit beim Geradeausfahren. Wie verhält sich eine Mannschaft in der Startbox, wie ist ihr Timing bis zum Startschuss, wie reagiert sie auf Angriffe, wie wendet sie und wie fährt sie eine Bahnmarke an? Es gibt kaum ein Detail, was nicht festgehalten und bewertet werden würde. "Wir haben alle Starts von allen elf Syndikaten der vergangenen drei Jahre im Archiv", sagt Vrolijk stolz.

Eine gigantische Datenbank, gegen die übliche Videoanalysen im Fußball nur zufällige Momentaufnahmen sind. "Aber ich kann das Material nur gewinnbringend auswerten, wenn ich die Daten auch verstehe", erklärt der innovative Kopf "Alinghis". Deshalb seien seine Designer auch alle Segler, er selbst gehe alle zwei bis drei Wochen an Bord. Und viele Segler aus der Crew gingen wiederum im Designteam ein und aus. Vrolijk: "Intern gibt es bei uns keine geschlossenen Bereiche und untereinander keine Geheimnisse." Diese Offenheit sei eine der Stärken des Teams, das vor vier Jahren die Seeregatta erstmals für ein Binnenland gewann und deren Austragung ins spanische Valencia vergab.

Nach dem AC-Sieg 2003 in Auckland sorgte Vrolijk selbst dafür, dass künftige Wunderwaffen schon durchs Regelwerk entschärft wurden. Damals war eben jenes "Team New Zealand" mit dem "Hula", einer Art Rumpffortsatz, angetreten, was allerdings keinen entscheidenden Vorteil brachte. Zusammen mit Ian Burns, dem US-Designchef des federführenden Herausforderers "BMW Oracle Racing" hatte der gebürtige Holländer, der in Hamburg-Blankenese zuhause ist, die so genannte Box Rule enger gezogen. Das sind die Bauvorschriften einer etwa 24 Meter langen und knapp vier Meter breiten America's Cup-Jacht. Es war der Wunsch der beiden Teamgründer Ernesto Bertarelli von "Alinghi" und Larry Ellison, die die seglerische Leistung in den Vordergrund stellen wollten.

Das Ziel dürfte erreicht worden sein, denn die Boote scheinen gleicher denn je. Kleine, aber feine Unterschiede, für die oft wochenlang getestet und entwickelt wird, geben die Designer in ein paar Metern pro Minute oder gar pro zehn Minuten an. Das ist verschwindend wenig, verglichen mit den Auswirkungen einer von außen vom Zuschauer kaum wahrnehmbaren, manchmal nur zeitweise, aber häufig vorkommenden Winddrehung um fünf oder zehn Grad. Zum Zweikampf auf dem Wasser gehört viel mehr, als nur ein schnelles Boot. Die Mannschaft muss es auch in die richtige Richtung steuern. Doch das fällt dem leichter, der durch sein Geschwindigkeitspotenzial den Bug vorne hat und taktisch freier entscheiden kann.

So lassen die kreativen Tüftler der größten AC-Kampagnen mit bis zu dreistelligen Millionen-Budgets nichts unversucht, was ihr schwimmendes Sportgerät auch nur eine Nuance schneller machen könnte. "Wenn wir an die Startlinie gehen, haben wir 250 verschiedene Segel ausprobiert", rechnet Vrolijk zusammen, jedes davon im Kostenrahmen zwischen Kleinwagen und Drei-Zimmer-Wohnung im Großstadtzentrum. Das wichtigste sei, sich bei der ganzen Forschung und Entwicklung nicht zu verzetteln und den Fokus im Auge zu behalten, "wo komme ich her, und wo will ich hin." Irrwege früh zu erahnen und rechtzeitig zu verlassen, das sei das A und O, um weder auf der Stelle zu treten, noch sich im Kreis zu drehen.

Ist der Vordenker des Cup-Verteidigers nicht doch noch nervös, ob die pfiffigen Neuseeländer bisher nur geblufft haben und für die große Revanche eine Überraschung aus dem Hut zaubern? "Auf der Bremse haben sie im Louis Vuitton Cup sicher nicht gestanden, das entspricht nicht ihrer Mentalität", meint Vrolijk, "und die America's Cupper können sie nicht neu erfunden haben". Und wenn das noch möglich gewesen wäre, hätte es den Entwurf sicher auch aus seiner Feder gegeben. Da ist es wieder, das Lächeln voller Zuversicht.