Jörg Börjesson hat jahrelang Anabolika geschluckt, um seine Muskeln zu formen. Er hat seinen Körper zerstört. Die Gelenke sind kaputt, der Magen ist es auch.

Hamburg. Auf den ersten Blick sieht Jörg Börjesson wie ein kräftiger Mann aus. Stattliche 1,80 Meter ist er groß und wiegt beachtliche 100 Kilogramm. Doch wenn sich der 41-Jährige bewegt, verflüchtigt sich der Eindruck eines zupackenden Typen. Bedächtig wie ein Greis erklimmt er Treppenstufen, sein Rücken krümmt sich dabei, denn er hat einen Bandscheiben-Schaden, seine Gelenke sind kaputt, der Magen auch.

Jörg Börjesson ist ein Wrack: Einst schuf er sich als Bodybuilder einen mächtigen Körper. Anabolika halfen ihm, von einem schmächtigen, asthmatischen Jungen zu einem mit bizarren Muskelpaketen bepackten Kerl zu werden.

Es gibt ein gut 20 Jahre altes Foto von Börjesson, darauf hat er einen blondierten Bürstenhaarschnitt, ein kantiges Gesicht und unter einem dünnen Trägerhemdchen quellen seine angespannten Muskeln hervor. Zu dieser Zeit hatte Börjesson seinen Körper schon überdeutlich im Fitnessstudio geformt, er ist abhängig von Pillen, seine Gesundheit ist ruiniert.

Der frühere Bodybuilder hat das Foto auf einen großen Karton gezogen und zeigt es vor 200 Schülern einer Gesamtschule in Wolfburg. "Boah, ey," rufen einige Jungs anerkennend. Ein paar Mädchen verziehen das Gesicht: "Voll sehnig," sagen sie.

Börjesson möchte die Jugendlichen mit seinen Vorträgen vor den Schäden von zu viel Körperkult warnen. Denn der verführe zur Einnahme der Pillen, die so schnell die Muckis anwachsen lassen, sagt Börjesson. Und das ist kein kleines Problem: Sportärzte schätzen, dass 200 000 Hobbyathleten in Deutschland Dopingmittel nehmen.

1984 begann Börjesson selbst mit dem Krafttraining. "Nach einem Jahr wurde mein Bizeps strammer, ich bekam einen Waschbrettbauch," sagt er. Mit harmlos aussehenden Pillen ging das Körper-Formen sogar noch schneller. Über die Wirkung der Medikamente machte er sich keine Gedanken, der Mann von dem er sie bekam, war sein Bodybuilding-Idol und "kein kleiner, dreckiger Dealer von Straße".

Börjesson warf Pillen mit Testosteron ein, dem männlichen Geschlechtshormon. Die synthetisch hergestellte Substanz bewirkte, dass sein Körper beim Training fleißig Eiweiß in Muskelgewebe umwandelte. Außerdem förderte das so genannte anabole Steroid die Knochenstabilität und baute Fett ab. Als Medikament gibt es Steroide nur auf Rezept, weil sie unzählige Nebenwirkungen haben können. Der Verkauf unter der Hand ist illegal.

Ein paar Jahre ging das einigermaßen gut. Börjesson ignorierte Magenkrämpfe, schließlich errang er Erfolge bei Wettbewerben. Das verschaffte ihm Respekt und Selbstvertrauen. Schluss mit den Medikamenten war für ihn erst, als ihm an einem Abend beim Pressen von 200 Kilo mit den Beinen Blut in einer Fontäne aus der Nase schoss. Er wurde panisch, setzte die Tabletten ab, stoppte das Training.

Börjessons Körper verformte sich nun. Er schmerzte an vielen Stellen und ihm wuchsen weibliche Brüste. Das passiert, wenn sich das Testosteron im Körper in Östrogen umwandelt, das weibliche Geschlechtshormon. Doch damit nicht genug: Weil sich Knötchen bildeten, wurde er 2002 mit Verdacht auf Brustkrebs operiert. "Wenn ich das hier überlebe," schwor er sich vor der Operation, "dann warnst du andere." Börjesson hat die Chance dazu erhalten. In den entfernten 400 Gramm Gewebe fanden sich zum Glück keine Krebsgeschwüre.

Den mehrstündigen Eingriff hat er filmen lassen. Er zeigt ihn jetzt bei seinen Aufklärungstouren durch Schulen und in Fitness-Studios. Es ist der radikale Höhepunkt seiner mit kräftigem Ruhrpott-Akzent vorgetragenen Geschichte nach dem einfachen aber wirkungsvollen Vorher-Nachher-Muster. Sie erzählt von zu spät erlangter Erkenntnis, die er Jugendlichen ersparen möchte: Das erste Foto, das Börjesson bei seinen Vorträgen hochhält, zeigt ihn kurz nachdem er mit dem Gewichte-Stemmen angefangen hatte. Ein junger, kräftiger Mann ist er da, der noch ohne Pillen stark geworden ist. "Ich wäre froh, wenn ich heute noch so einen Körper hätte," sagt Börjesson dann jedes Mal.