REGEL Wie der deutsche Fußball die “späte Fahne“ möglichst elegant umgehen möchte.

Hamburg

Besser spät als nie! Mögen sich die etwas älteren Herren des Welt-Fußballverbandes Fifa gedacht haben, als sie die "späte Fahne" ins Fußball-Leben brachten. Beim Confed-Cup vor zwei Wochen nervte diese "späte Fahne" alle. Und deswegen wurde vehement gefordert: "Weg mit dieser Schwachsinns-Regel!"

Damit wird es aber nichts. Die Fifa hat diese Regel neu geschaffen, und sie will sie nun auch umgesetzt wissen. Die "späte Fahne" ist leider ein MUSS! Zum Ärger aller. Die Verantwortlichen in Deutschland allerdings denken, daß sie einen Weg gefunden haben, diese neue Regel elegant zum umgehen. Indem sie etwas anders ausgelegt wird, als die Fifa möchte. Eine Art Kompromiß also. Aber die Herren werden erst noch abwarten müssen, wie die Fifa-Regelhüter auf die deutsche Variante reagieren.

Hellmut Krug, ehemaliger Weltklasse-Schiedsrichter und nun DFB-Abteilungsleiter, erklärt das, was mit dem Bundesliga-Start am 5. August für deutsche Schiris gilt: "Wenn ein Ball offensichtlich zu einem Spieler gespielt wird, der sich in einer Abseitsposition befindet, und auch nur dieser Spieler den Ball bekommen kann, so hebt der Assistent in dem Augenblick die Fahne, wo er dies erkennt - beziehungsweise der Schiedsrichter pfeift dann auch schon Abseits." Krug weiter: "Denn dieser Spieler, das ist wichtig, greift in unseren Augen ins Spiel ein. Der Assistent oder der Schiedsrichter muß also nicht so lange warten, bis der Spieler den Ball auch tatsächlich spielt oder berührt."

Soweit die deutsche Variante. Die "späte Fahne" aber kommt dennoch - ganz im Sinne der Fifa. Krug zu jenen Fällen: "Besteht Zweifel, ob der Ball wirklich zu dem im Abseits stehenden Spieler gelangt, oder laufen zwei Spieler nach dem Ball, von denen einer im Abseits stand, so muß mit der Abseitsentscheidung so lange gewartet werden, bis klar erkennbar ist, welcher der Spieler den Ball tatsächlich spielt."

Die Defensive hat es also künftig schwerer, denn sie wird in vielen Fällen laufen müssen, obwohl eine Abseitsstellung vorgelegen hat - von der aber niemand so recht weiß, ob sie auch tatsächlich geahndet wird. Die Angreifer aber haben künftig einen leichten Vorteil. Hellmut Krug: "Die Tendenz geht durch die neue Auslegung der Abseitsregel eindeutig dahin, daß weniger Abseits gepfiffen wird."

Zudem ist nun geklärt: Passivabseits und Aktivabseits gibt es nicht mehr. Das jedenfalls behaupten die Schiedsrichter. Obwohl es zuletzt oft zu sehen war, daß sich bei einem Freistoß (gegnerische) Spieler vor dem Torwart aufbauten, um ihn zu irritieren. Doch auch dafür ist nun gesorgt - ohne Unwort "Passivabseits". Hellmut Krug erklärt: "Nur dann, wenn ein im Abseits stehender Spieler den Ball offensichtlich zugespielt bekommt, oder wenn er einen Gegner daran hindert, den Ball spielen zu können - indem er ihm die Sicht versperrt, wenn er behindert, täuscht oder ablenkt - oder wenn er aus einer aus einer Abseitsstellung einen Vorteil erlangt, indem er den Ball spielt, der von Pfosten, Querlatte oder Gegenspieler zu ihm prallt, nur dann ist auf Abseits zu entscheiden."

Was noch hinzu kommt: Den indirekten (Abseits-)Freistoß gibt es dort, wo der Spieler zuvor im Abseits stand. Und nicht da, wo er den Ball angenommen hat.

Hellmut Krug kann mit dieser neuen Regelung leben: "Sie wird zwar am Anfang noch für Aufregung sorgen, aber ich finde das schon okay. Weil es die vielen Diskussionen, ob nun passiv oder aktiv, nicht mehr geben wird. Weil jetzt eindeutig definiert ist, daß nur der Spieler, der den Ball berührt, zu bewerten ist."

Bleibt abzuwarten, wie die geneigten Fifa-Herren auf den DFB reagieren werden. Abseits müßte eigentlich eine Spontan-Entscheidung bleiben, genau in diesem Sinne legt Deutschland die neue nun Regel aus. Und wer aus diesen Ausführungen noch nicht so richtig schlau geworden ist, der sollte dieses Regelwerk noch einmal ganz genau durchlesen. Vielleicht auch dreimal. Das machen die meisten Fifa-Regel-Herren auch immer noch.