Hochfilzen. Ausgerechnet Ersatzfrau Andrea Henkel hat Uschi Disls Siegeszug gestoppt und sich selbst im dichten Flockenwirbel von Hochfilzen über 15 Kilometer zur Goldmarie gekürt. "Ich kann das nicht verarbeiten. Ich bin überrascht und so froh", stammelte die Sensations-Weltmeisterin unter Tränen.

Ihr erster großer Sieg drei Jahre nach dem Olympia-Gold von Salt Lake City war zugleich der dritte deutsche Titel bei der Biathlon-WM. Silber ging an Sun Ribo (China) vor Linda Tjörhom (Norwegen). Doppel-Weltmeisterin Disl schoß dagegen gleich sechsmal daneben und wurde 34.

"Ich hatte schon auf der letzten Runde mit Freudentränen zu kämpfen. Aber ich hatte keine Zeit, richtig glücklich zu sein", schilderte Andrea Henkel im Ziel ihre Gefühle. Wenige Momente zuvor hatte die 27 Jahre alte Thüringerin noch mit vor das Gesicht geschlagenen Händen im Zielraum gekniet und unter dem Jubel von 5000 zumeist deutschen Fans hemmungslos geweint. Selbst als die ältere Schwester und Langlauf-Olympiasiegerin Manuela per Handy gratulieren wollte, war Kommunikation unmöglich: "Wir haben beide vor Freude nur geheult und nichts rausgebracht."

Henkels Sieg glich einem echten Märchen in Österreichs tief verschneiter Winterwelt. Noch eine Woche vor der WM hatte Bundestrainer Uwe Müssiggang seine "Kurze" (Henkel ist nur 158 Zentimeter groß und damit die Kleinste im Team) ausgemustert. Nur weil Ex-Weltmeisterin Martina Glagow mit Rippenfell-Entzündung ausfiel, durfte Henkel mit nach Hochfilzen fahren. Als Reservefrau ohne Einsatzchance. Dann schwächelte plötzlich die vor der WM so starke Simone Denkinger (Gosheim), wurde nur jeweils 32. im Sprint sowie im Jagdrennen und flog zugunsten Henkels aus dem Team.

Henkel sorgte am Ende dafür, daß auch die über die eigene Leistung bitter enttäuschte Uschi Disl wieder ihr typisches Lächeln präsentieren konnte. "Ich habe schon vor dem Rennen gesagt, daß heute mal die anderen dran sind. Jetzt hat es die Andrea geschafft. Damit haben wir hier alle Titel gewonnen. Schöner kann es doch gar nicht sein", sagte Disl.

Sie hatte bis zur letzten von vier Schießübungen auf Medaillenkurs gelegen. "Wenn die Uschi jetzt noch einen Nuller macht, dann gewinnt sie", meinte Teamchef Martin Löchle. Disl aber fabrizierte statt null Fehlern um ein Haar null Treffer, verfehlte vier der fünf Ziele und war fassungslos. "Das waren doch Treffer", brüllte sie wütend. Waren es aber nicht.