TENNIS Großer Tag für die Qualifikanten in Wimbledon. Claudia Lord London "Mich kennt ja keiner. So was mögt ihr doch", eröffnete Alexander Waske die Pressekonferenz. Ein Bankkaufmann macht aus seiner Außenseiterrolle eine Tugend. Qualifikanten, die keiner kennt, hatten in Wimbledon ihren großen Tag. Denn erst schickte der 27-jährige Waske den Italiener Andrea Gaudenzi mit übermächtigen Aufschlägen 7:6 (7:4), 7:6 (7:3), 6:7 (2:7), 6:1 nach Hause, dann folgte der bisher "größte Schock des Turniers", wie Boris Becker als neuer BBC-Kommentator befand. Statt Titelverteidiger Goran Ivanisevic (Schulterverletzung) hielt ein 18-Jähriger aus dessen Heimatstadt Split die kroatischen Farben hoch. Mario Ancic (Nr. 154 in der Welt) schlug Mitfavorit und Rothenbaum-Sieger Roger Federer (Schweiz) "in einem nahezu perfekten Match" (Becker) 6:3, 7:6, 6:3. Becker schwärmte: "Wir werden gerade Zeugen der Entstehung eines Champions." Die Taktik dazu holte sich Ancic von seinem Landsmann höchstpersönlich: "Goran und ich haben vorm Spiel telefoniert, er hat mir taktische Tipps gegeben. Er ist wie ein großer Bruder." Bisher waren Ancics und auch Waskes Parkett die Challenger-Turniere. Zu den größten Stunden seiner Tenniskarriere zählte der Frankfurter bisher "eine Trainingsstunde mit Pete Sampras". Doch jetzt steht er gegen Flavio Saretta (Brasilien) in Runde zwei seines ersten Grand-Slam-Turniers. Letzte Woche kämpfte er sich noch durch die Qualifikation, in der er letztes Jahr gescheitert war. Waskes Stärke: Ein harter erster Aufschlag, "den ich von meinem Vater, einem früheren Oberligaspieler, in die Wiege gelegt bekommen habe". Waske kann von nun an nur gewinnen. Mit den garantierten 20 576 Euro Preisgeld für Runde zwei kann er zumindestens schon mal die Schulden bei Papa abbezahlen, der ihm bisher mit 40 000 Mark seine Karriere finanzierte. Denn Waskes Laufbahn verlief etwas anders. "Nach dem Abitur habe ich meinen Wehrdienst als Sanitäter abgeleistet. Danach habe ich bis 1997 eine Banklehre bei der Hessischen Landesbank gemacht und bin dann nach San Diego gegangen, um dort internationale Betriebswirtschaft zu studieren", erzählt Waske. Ein Seiteneinsteiger stellt sich auf der Weltbühne des Tennis vor. Noch vor fünf Jahren war alles reines Hobby. "Mein Bankchef hat mich nicht zum Training gehen lassen, sondern mich gefragt: ,Willst du eine Lehre zum Bankkaufmann oder zum Tennisprofi machen?'", erinnert sich Waske. Dafür konnte er während des Studiums in den USA anschließend täglich bis zu vier Stunden trainieren. Doch der Gedanke nagte an ihm: "Ich wollte wissen, ob ich noch was reißen kann. Doch wenn ich etwas mache, dann richtig", erklärt Waske. Also unterbrach er 2001 das Studium, holte sich gleich vier Trainer an seine Seite und kletterte in diesem Jahr schon 122 Plätze in der Weltrangliste. Trainiert wird Waske von seinem "Freund und früheren Doppelpartner" Patrick Sommer, um die Seele kümmert sich Mentaltrainer Thomas Baschab (der auch Skifahrerin Martina Ertl betreut), um seine Fitness sorgt sich Janek Obenauer und um die Wehwehchen Physiotherapeut Jens Freimuth. Und wer bezahlt den Luxus für einen Bankkaufmann mit Tennistalent? "ETUF Essen, für den ich im Sommer in der Bundesliga spiele", erklärt Waske. So locker und gelöst, wie sich der 1,88 m große Profi gab, war seine Mutter Gudrun bei weitem nicht. "Sie hat sich am Platz zu Tode geschwitzt", erklärt ihr Sohn. Denn sie war die Einzige, die von seiner Familie dabei sein durfte. Vater und Bruder mussten zu Hause in Frankfurt vor dem Fernseher zittern. Aus Mangel an Tickets.