Springreiten: Der Profi aus Neuendeich ist einer von acht deutschen Kandidaten für Olympia in Athen.

Hamburg. Gefühlsduselei, sagt Sören von Rönne, sei nicht seine Sache, aber klar sei andererseits auch, dass es für einen Sportler kein höheres Ziel gibt als eine Olympiateilnahme. Besser noch: eine olympische Medaille.

Der blonde Springreiter, der in Uetersen sein Abitur machte und in Neuendeich vor den Toren Hamburgs seine Pferde trainiert, wird möglicherweise in Athen die Chance erhalten, olympischem Ruhm zu ernten. Er gehört zum achtköpfigen deutschen Kader für die Spiele von Athen, den Kurt Gravemeier benannt hat.

Der Bundestrainer hat sich etwas dabei gedacht: "Sören ist ein alter Hase im Springsport", begründet er die Nominierung. "Er war 2003 schon Ersatzreiter bei der Europameisterschaft, und so hat er natürlich auch gute Chancen für Olympia."

Für den studierten Betriebswirt und gelernten Landwirt von Rönne wäre es bereits die zweite Olympiateilnahme. Die erste allerdings glich eher einem bösen Traum. 1992 in Barcelona holte sich der damals 30-Jährige Topreiter zwar ein Qualifikationsspringen, kam aber im Finale nur auf Rang 20.

Noch schlechter liefs im Preis der Nationen: "Ein absolutes Fiasko", erinnert sich Ludger Beerbaum, der auch dabei war, im zweiten Umlauf aber zu Fuß ins Ziel kam. Die deutsche Equipe belegte am Ende einen indiskutablen elften Rang, und von Rönne trauert noch heute der verpassten Chance nach: "Es war so etwas wie die schwärzeste Stunde des deutschen Reitsports. Danach ging es steil bergauf."

Zum Glück war er selbst am Aufschwung nicht ganz unbeteiligt. Zwei Jahre nach dem Olympia-Desaster wurde er mit der Mannschaft Weltmeister in Den Haag und holte Bronze im Einzel. Seitdem schätzt Beerbaum von Rönne als Partner im Team: "Sören war schon in Barcelona von uns allen der Beständigste. Wenn er im Parcous unterwegs ist, denkt man nie: Was macht der denn da!?" Er reite besonnen und verlässlich, sei gleichsam "eine Bank". Auch Teamfähigkeit, so der dreifache "Rider of the Year", bringe von Rönne mit: "Er besitzt sehr viel Kompetenz, Verstand und Erfahrung, er sagt seine Meinung und drückt sich klar aus."

Was ferner für den Schleswig-Holsteiner spricht, ist, dass er ein olympiataugliches Pferd zur Hand hat. Mit Chandra arbeitet er seit sechs Jahren täglich zusammen. Klar, dass sich daraus eine sehr enge Partnerschaft entwickelt hat - man kennt einander aus dem Effeff. Die Stute wird in diesem Jahr gezielt auf Olympia hintrainiert. Sie kommt etwas später als üblich aus der Winterpause, beginnt erst im April wieder mit der ernsthaften Arbeit. Im Mai stehen dann einige leichtere Prüfungen auf dem Programm, damit Chandra in der heißen Vorbereitungsphase, bei den Qualifikationen im Juni - wahrscheinlich die deutsche Meisterschaft in Balve und das CHIO in Aachen - und gegebenenfalls bei den Spielen selbst in Topform ist.

Die Olympiatauglichkeit der Pferde bemisst sich an Leistungsvermögen und Zuverlässigkeit. Eine spezielle Auffassungsgabe sollte jedoch hinzukommen. "Das ist bei den Pferden ja etwas anders als beim Menschen: Denen muss man erst mal klarmachen, dass sie sich auf Olympischen Spielen befinden, dass sie sich besonders zu konzentrieren haben, weil es ja auch für sie so eine Art Lebenshöhepunkt ist. Das begreift nicht jedes Pferd", sagt von Rönne und fügt zuversichtlich hinzu: "Ich glaube, Chandra ist so eine, die es spürt, wenn das Ereignis ein besonderes ist, und die sich dann entsprechend anstrengt."

Sobald das Thema auf seine Startchancen kommt, kehrt die typisch norddeutsche Nüchternheit zurück: "Wir haben einen achtköpfigen Olympiakader. Dazu gehöre ich mit der Stute Chandra. Mehr ist zu meinen Teilnahmechancen aus heutiger Sicht nicht zu sagen."

Vielleicht noch so viel: Am Ende gehört auch etwas Glück dazu. Denn die Erfahrung lehrt, dass noch in den Wochen vor der Abreise Paare ausfallen. Verletzungen, Krankheiten oder Formschwäche kommen kurzfristig dazwischen. Die endgültige Nominierung ist auf Anfang Juli terminiert.

Bei aller berechtigten Zuversicht ist auch Zurückhaltung geboten. Zumal die Konkurrenz im eigenen Lager so stark ist wie selten zuvor. Zehn bis zwölf deutschen Reitern ist hohes bis höchstes internationales Niveau zu bescheinigen, an der Spitze jene vier, die im Sommer in Donaueschingen Europameister wurden: Christian Ahlmann, Otto Becker, Marcus Ehning und Ludger Beerbaum. Der weltbeste Reiter der vergangenen Jahre warnt: "Es wird für alle schwer, überhaupt in die Mannschaft zu kommen, auch für mich selbst."

Wer es schafft, dem winkt aber auch olympischer Lorbeer. Bundestrainer Gravemeier hat einen klaren Kurs ausgegeben: "Unser Ziel ist eine Medaille, gleich welcher Farbe. Gewinnen wir keine, wäre ich enttäuscht." Barcelona soll sich nicht wiederholen. Ein Herzensanliegen auch für Sören von Rönne.