Die Schanze ist in. Das wissen nicht nur St. Paulis Profis Florian Lechner, Mathias Hain und Marcel Eger, die allesamt im Schanzenviertel ihr neues Zuhause gefunden haben.

Hamburg. Die Schanze ist in. Das wissen nicht nur St. Paulis Profis Florian Lechner, Mathias Hain und Marcel Eger, die allesamt im Schanzenviertel ihr neues Zuhause gefunden haben. Doch auch die drei zugezogenen Kiezkicker haben registriert, dass ihre Wahlheimat im Wandel ist. Auf dem Schulterblatt sprechen sie bei einem Galão (auf Deutsch: Milchkaffee) über das Lebensgefühl "Schanze".


Abendblatt:

Was zieht einen Fußballprofi in die Schanze?

Florian Lechner:

Kein Stadtteil in Hamburg hat ein so spezielles Flair wie das Schanzenviertel. Ich kenne den Türken von gegenüber oder den Barbesitzer von nebenan. Die Schanze ist wie ein Dorf mitten in der Stadt.



Mathias Hain:

Ich kannte zuvor so eine Idylle in der Großstadt gar nicht. Meine Tochter hat in ihrem Laufrad die Gegend erkundet und umgehend Freunde gefunden.



Marcel Eger:

Mich hat die Geschichte des Stadtteils interessiert: die linke Bewegung, Rote Flora, die Proteste. Heute merkt man ja nicht mehr viel davon.



Abendblatt:

Viele Fußballer bevorzugen das ruhige Leben am Stadtrand. Warum haben Sie sich für das Gegenteil entschieden?

Hain:

Ich habe noch ein Haus zwischen Goslar und Braunschweig, wo ich genau das Gegenteil von der Schanze erleben kann. Dort ist es ruhig, hier ist was los. Und für mich ist es ein Luxus, beides genießen zu dürfen.



Eger:

In der Schanze ist es ziemlich egal, ob man Fußballprofi ist oder sonst irgendeinen Beruf hat. Man gehört als Anwohner einfach dazu.



Lechner:

Außerdem ist hier oft gar nicht so viel Trubel, wie man denkt. So wohnen in der Schanze auch viele St.-Pauli-Fans, die aber sehr respektvoll sind.



Abendblatt:

Sie müssen also nicht pausenlos beim Bäcker Autogramme schreiben?

Lechner:

Überhaupt nicht. Natürlich wird man mal angesprochen, aber eigentlich sind alle immer sehr nett und höflich zu mir.



Abendblatt:

Gehen Sie zu den Spielen ans Millerntor zu Fuß?

Eger:

Klar. Mittlerweile ist es ein richtiges Ritual von uns dreien geworden, zusammen zu den Heimspielen zu gehen.



Lechner:

Letztens ist auf dem Rückweg ein Fan vor uns gegangen, und man merkte, dass er uns gerne ansprechen wollte. Irgendwann hat er sich dann ein Herz genommen und meinte: "Ich dachte immer, dass ihr im Porsche zum Stadion fahrt."



Abendblatt:

Im Porsche fahren immer häufiger Auswärtige vor, um auf dem "Galaostrich" am Schulterblatt zu flanieren. Merken Sie, dass der Stadtteil im Wandel ist?

Hain:

Eigentlich darf ich mir als Zugezogener kein Urteil bilden. Aber ich finde es überhaupt nicht schlimm, wenn Eppendorfer in die Schanze kommen, um einen Kaffee zu trinken. Weniger schön ist allerdings, wenn das einzigartige Flair hier durch neue Ketten, die sich in der Schanze ansiedeln wollen, kaputt gemacht wird.



Abendblatt:

Was spricht dagegen, dass McDonald's, H&M oder Balzac in die Schanze ziehen?

Lechner:

Die kleinen Läden haben immer mehr zu kämpfen, wenn sich die "Global Player" breitmachen. Wie soll ein Traditionsladen wie die Bäckerei Stenzel sich langfristig gegen ein Unternehmen wie Backfactory wehren?



Hain:

Ich gehe mit meiner Familie ja auch mal zu McDonald's oder zu H&M, aber bitte nicht in alternativen Vierteln wie der Schanze.



Eger:

Deswegen kann man es auch nur begrüßen, dass sich die Anwohner gegen diese Kommerzialisierung der Schanze lautstark zu Wort melden.



Abendblatt:

Die lautstarken Protest sind in der Vergangenheit immer häufiger in gewalttätige Proteste umgeschlagen ...

Lechner:

... was natürlich sehr bedauerlich ist. Wobei man klar sagen muss, dass sowohl aufseiten der Randalierer als auch aufseiten der Polizei immer wieder übertrieben worden ist. Ich habe mich in meiner eigenen Straße teilweise wie im Krieg gefühlt.



Eger:

Man kann seinen Protest auch zum Ausdruck bringen, indem man statt bei Lidl auf dem Wochenmarkt einkauft oder seine Brötchen bei Stenzel und nicht bei der Backfactory holt.



Hain:

Es ist einfach schade, wenn die tolle Stimmung hier plötzlich ins Gegenteil umspringt. Denn so kann man dieses Großstadt-Idyll auch kaputt machen.