HSV-Trainer, Sportchef und einstige Weggefährten loben den U-21-Nationalspieler Dennis Aogo, der früher als Chaot galt.

Hamburg. Nach knapp 45 gemeinsamen Minuten im Arena-Restaurant "Die Raute" wird Dennis Aogo plötzlich rot. Und obwohl die Gesichtsfarbe des HSV-Profis sich schnell wieder normalisiert, wird deutlich, dass ihm die Frage, ob er stolz sei, unangenehm ist. Aogo, dessen gerahmtes Bild wenige Meter weiter an der Wand hängt, schaut durch das Fenster ins leere Stadion, nimmt sich etwas Zeit zum Nachdenken und antwortet dann doch bestimmt: "Ich hatte keine einfache Kindheit, bin früher fast so etwas wie ein Problemfall gewesen. Dass ich jetzt hier stehe, auf den Rasen gucke, auf dem ich regelmäßig vor 57 000 Zuschauern spiele, macht mich nach all dem, was ich erlebt habe, dann doch ein wenig stolz." So klingt jemand, der weiß, woher er kommt.

Dennis Aogo ist kein gewöhnlicher Fußballprofi. Der gebürtige Karlsruher, über den in den vergangenen Tagen so viel berichtet wurde, ist kein Lautsprecher, kein PR-Profi und auch keine Fußball spielende Ich-AG. Dass die Zeitungen ihn schon jetzt als "Aufsteiger der Saison" bezeichnen, macht ihn genauso verlegen wie all die Komplimente, die er zuletzt zu hören bekam. "Dennis hat sich unglaublich entwickelt", lobt etwa Freiburgs Trainer Robin Dutt, den Aogo als eine Art Ziehvater bezeichnet und der maßgeblich an seiner Wandlung vom Problem- zum Musterprofi verantwortlich ist. "Ich habe ihm gesagt, dass er unglaubliches Talent besitzt, dieses Talent aber auch ausschöpfen muss", sagt Dutt, der von Aogo rechtzeitig erhört wurde. "Unter Robin Dutt habe ich gelernt, dass man sich alles hart erarbeiten muss und dass harte Arbeit auch belohnt wird", sagt der Deutschnigerianer. So klingt jemand, der mittlerweile endlich auch weiß, wohin er will.

Aogos Erfolgsgeschichte beginnt 2002 in Freiburg. Der damals 15-jährige Teenager, der bis dahin am Wochenende lieber mit Freunden durch die Wohnsiedlung Karlsruhe-Oberreut als über die Fußballplätze zog, steht am Scheideweg. Privat oft mit dem Gesetz im Konflikt, bietet ihm sein fußballerisches Talent die Chance, die er heute als "den Weg, den Gott mir vorgibt", bezeichnet: Aogo soll Profi werden. Dafür muss der renitente Jugendliche, der als Nesthäkchen mit insgesamt vier Geschwistern aufwuchs, ins Internat des SC Freiburg wechseln, somit sein Elternhaus und seine gewohnte Umgebung verlassen. "Dennis war schon damals besser als viele andere, aber wir mussten ihm auch seine Grenzen aufzeigen", erinnert sich Freiburgs damaliger Internatsleiter Christian Streich, der Aogo intensiv betreute.

Die Arbeit mit dem "kleinen Chaoten" (Aogo über Aogo) sollte sich schon bald auszahlen. "Wenn ich sehe, was aus einigen meiner Freunde geworden ist, danke ich Gott für die Chance, die er mir gab", sagt der Defensiv-Allrounder, der regelmäßig in die Kirche geht, heute. "Meine Jugend war alles andere als einfach", erinnert sich der U-21-Nationalspieler, der sich damals nicht erträumen konnte, wie weit er es in kürzester Zeit bringen würde.

Was Aogo tatsächlich schon erreicht hat, führt HSV-Trainer Martin Jol zwei Stockwerke unter dem Stadion-Restaurant "Die Raute" aus: "Dennis ist noch viel besser, als ich es erwartet hatte. Er zählte in den letzten Spielen für mich sogar zu den Besten bei uns." Komplimente, auf die Aogo lange warten musste. Nach seinem Wechsel im Sommer zum HSV kam der Liebhaber schneller Autos zunächst nicht in Fahrt, musste zu Saisonbeginn sogar auf der Tribüne Platz nehmen: "Natürlich kamen bei mir Zweifel auf, ob die Entscheidung, nach Hamburg zu gehen, richtig war", sagt Aogo, der in Flottbek zumindest privat sein Glück fand. Erst die Mut machenden Worte seiner Freundin Melanie, seines Vaters Samuel und ein offenes Gespräch mit Jol ließen Aogo auch sportlich wieder Hoffnung schöpfen. "Der Trainer hat mir gesagt, dass meine Konkurrenten Atouba und Jansen einfach vor mir sind - da wusste ich, wo ich stand, und konnte mich in Ruhe auf meine Chance vorbereiten."

Und das tat Aogo vorbildlich. Mit Techniktrainer Ricardo Moniz auf dem Platz, allein nach Trainingsende im Fitnessstudio und sogar nach Feierabend mit Analysevideos zu Hause - Aogo schuftete hart. "Dennis ist sehr professionell", sagt Sportchef Dietmar Beiersdorfer, "er arbeitet wie ein Wahnsinniger, um sich zu verbessern." Und auch Nigel de Jong, der mittlerweile beim morgigen Uefa-Cup-Gegner Manchester City (20.45 Uhr/Sat.1) sein Geld verdient, Aogo aber immer noch zu seinen wichtigsten Freunden zählt, lobt: "Viele bekommen gar nicht mit, was Dennis noch alles nach dem Training macht. Niemand arbeitet so hart an sich wie er." Kein Wunder, dass man bei so vielen Komplimenten irgendwann rot wird.

Wirklich stolz wäre Aogo aber erst, wenn er es schafft, mit dem HSV in dieser Saison das zu erreichen, was seit 22 Jahren in Hamburg kein Profi vor ihm geschafft hat: einen Titel zu gewinnen. "Nach all den Anfangsschwierigkeiten hier fühle ich mich endlich als wichtiger Bestandteil der Mannschaft. Jetzt will ich aber mehr. Ich will, dass wir im Mai nicht mit leeren Händen dastehen", sagt der Mann, der weiß, woher er kommt, und der weiß, wohin er will. Und auch, dass harte Arbeit sich auszahlt, weiß Aogo. Vielleicht ja schon in dieser Saison.