Die Stresssituation ist für den passionierten Raucher und Kaffeetrinker beinahe schon zur Normalität geworden. Doch in dieser Woche ist die...

Hamburg. Die Stresssituation ist für den passionierten Raucher und Kaffeetrinker beinahe schon zur Normalität geworden. Doch in dieser Woche ist die Belastung für Holger Stanislawski wieder einmal von besonderer Qualität. Der 39-Jährige ist derzeit gleich dreifach gefordert: als engagierter Trainer einer Zweitligamannschaft, überzeugender Werber in Sachen Neuzugänge und strebsamer Lehrgangsteilnehmer beim Fußballlehrerschein in Köln. Im Fach "Lehren lernen" stand dort gestern die Theorie-Abschlussprüfung an. Eine Klausur, deren Ergebnis in die Psychologie/Pädagogik-Note einfließt. Ein Bereich, der Stanislawski liegt. Seine Fähigkeiten als Motivator werden von den Spielern gern und oft bestätigt, Neuzugänge benannten bei der Frage nach dem ausschlaggebenden Faktor für ihren Wechsel ans Millerntor mehrheitlich die Überzeugungskraft des Trainers.

Qualitäten, die neben der theoretischen Leistungsüberprüfung nun auch wieder in der Praxis zum Einsatz kommen müssen. "Von unseren finanziellen Möglichkeiten her liegen wir in der Zweiten Liga auf Platz zwölf oder 13. Deshalb müssen wir mit anderen Argumenten überzeugen", erklärt Stanislawski und konkretisiert: "ein schlüssiges Konzept, meine offensive Spielphilosophie, die Stadt Hamburg, die Strahlkraft des Vereins und unsere einzigartigen Fans." Fünf Gründe für St. Pauli.

Stanislawski fungiert meist als Türöffner und führt das erste Gespräch mit den auf einer Liste zusammengetragenen potenziellen Neuzugängen. Sportchef Helmut Schulte hält Kontakt zu den jeweiligen Spielerberatern und verhandelt finanzielle und vertragliche Details. "Wir stehen im permanenten Dialog. Aber klar ist: Ich verpflichte keinen Spieler, mit dem ich vorher nicht selbst gesprochen habe", sagt Stanislawski und verrät die entscheidende Maßgabe: "Entscheidend ist, dass ich in den Gesprächen authentisch verkaufe, was die Jungs hier erwartet."

Ein System, welches in den seit etwa drei Wochen häufiger und intensiver gewordenen Pokerrunden nach eigenen Angaben sehr gut funktioniert. "Wir werden den einen oder anderen Spieler bekommen, den viele gar nicht beim FC St. Pauli erwarten würden", prophezeit Stanislawski voller Vorfreude.

Das konkrete Interesse an Kölns Thomas Broich und Bremens Max Kruse ist bekannt, auch Fin Bartels wäre im Fall eines Rostocker Abstiegs ein Kandidat. "Wir sind bislang sehr gut damit gefahren, deutsche oder zumindest deutschsprachige Spieler zu verpflichten", beschreibt der Trainer die Methode, "im Idealfall kommen die dann sogar noch aus Hamburg oder Norddeutschland. Und das wollen wir auch beibehalten."

Dass talentierte Spieler auch für andere, finanzkräftigere Vereine interessant sind, hat Stanislawski bereits mehrfach zum Leidwesen erlebt. "Wir sprechen mit sehr vielen interessanten Leuten. Und letztlich liegt es an jedem Spieler selbst. Wir machen in unserem Rahmen finanziell vernünftige Angebote. Wer damit nicht zufrieden ist, der muss woanders hingehen."