Der Erfolgscoach über Schönheit, Schachstrategien und Schalke 04.

Abendblatt:

Herr Weise, Sie haben Ungewöhnliches vollbracht, sind 2004 mit den Damen und vier Jahre später mit den Herren Olympiasieger geworden. Welcher Erfolg war Ihnen wichtiger?

Weise:

Das Ergebnis ist das Gleiche, aber die Geschichte dahinter ganz unterschiedlich. Es ist toll, wenn dir mit einer eigentlich nicht siegfähigen Mannschaft, wie bei den Frauen, die Riesenüberraschung gelingt. Es ist aber auch klasse, wie bei den Männern, mit dem Ziel Olympiasieg anzutreten und das durchzuziehen. Ich habe beides genossen.



Abendblatt:

Nichtsdestotrotz wollten Sie nach dem Erfolg mit den Frauen gerne zu den Männern wechseln. Warum?

Weise:

Wenn Sie in der Formel 3 sind, wollen Sie eben auch gerne mal in der Formel 1 fahren (lacht) . Das hört sich jetzt vielleicht schlimmer an, als es ist. Als 2006 das Angebot kam, die Männer zu übernehmen, musste ich jedenfalls nicht lange überlegen.



Abendblatt:

Aus Männerperspektive hätte man das auch anders sehen können. Sie haben ein Team mit zahlreichen hübschen Frauen verlassen, um sich nur mit Kerlen zu umgeben.

Weise:

Wenn ich den ganzen Tag von schönen Frauen umgeben sein will, finden sich immer Lösungen. Aber ich bin ja täglich mit einer schönen Frau zusammen, das reicht mir.



Abendblatt:

Sie sollen ein Mensch mit einem besonderen Schönheitsempfinden sein. Was bedeutet "schön sein" für Sie?

Weise:

Meine Mutter hat früher mal zu mir gesagt: "Alle jungen Mädchen sind schön." Das konnte ich nicht nachvollziehen, dabei ist es gar nicht so falsch. Man muss Details sehen, seinen Blick schulen. Manchmal ist etwas in seiner Gesamtheit schön, manchmal eine Einzelheit.



Abendblatt:

Halten Sie Hockey für ästhetisch?

Weise:

Auf jeden Fall. Die Mischung von Rasanz und anspruchsvoller Technik finde ich sehr ästhetisch. Das gilt für Frauen wie für Männer.



Abendblatt:

Welches Geschlecht ist eigentlich leichter zu trainieren?

Weise:

Es gibt immer Phasen, wo man sich mal durchbeißen muss, wo es Probleme gibt. Bei den Frauen musst du auf dem emotionalen Gebiet mehr Energie investieren, sorgfältiger in der Kommunikation sein.



Abendblatt:

Also sind Männer am Ende einfacher zu handhaben?

Weise:

Sie sind einfacher, aber auch schlampiger. Wenn du mit Frauen etwas entwickelst, ist es länger präsent.



Abendblatt:

Mal weg von den Spielern. Was macht einen guten Trainer aus?

Weise:

Du entwickelst eine Leistung im Training und musst am Spieltag dafür sorgen, dass sich diese entfaltet. Wenn du dich nur über Fehler aufregst oder auf den Schiri schimpfst und dich so nicht darauf fokussieren kannst, was dich in diesem Moment handlungsfähig hält, machst du keinen guten Job.



Abendblatt:

Sie gelten als guter Schachspieler. Lassen Sie sich auch davon inspirieren?

Weise:

Im Schach sind alle Spieler schlecht - bis auf ein paar Ausnahmen. Aber du kannst dir natürlich was davon abschauen. Strategie ist im Schach beispielsweise ein Riesengebiet. In anderen Sportarten wird stets viel von Taktik geredet, aber kaum von Strategie, was meines Erachtens ein Fehler ist.



Abendblatt:

Weil am Ende in Fußballersprache "planloses Gekicke" herauskommt?

Weise:

Bei Fußballspielen kann man in der Tat häufig nicht erkennen, was erreicht werden soll. Selbst am Mittwoch bei der Nationalmannschaft war das phasenweise so. Für mich müsste es mehr Spielsequenzen geben, wo man erkennen kann, was zum Beispiel beim Spielaufbau bezweckt werden soll.



Abendblatt:

Könnten Sie sich eine Tätigkeit im Fußball vorstellen? Ihr Vorgänger Bernhard Peters wurde zum Sportdirektor bei 1899 Hoffenheim.

Weise:

Ich glaube, dass ich einem Cheftrainer, der ähnlich aufgeschlossen ist wie Ralf Rangnick, auf bestimmten Gebieten meine Qualität anbieten könnte, um eine Leistung so zu verbessern, dass sie den angestrebten Erfolg wahrscheinlicher macht.



Abendblatt:

Auf Schalke werden diverse neue Leute gesucht.

Weise:

Schalke ist schon sehr speziell. Da hat man immer das Gefühl, dass sich der Klub selbst im Weg steht. Immerhin wollen sie nun mehr auf die Jugend setzen.



Abendblatt:

Das Argument gegen junge Eigengewächse im Team ist meist der große Erfolgsdruck. Sind Sie froh, dass Sie als Hockey-Bundestrainer diesen Zwang nicht haben?

Weise:

Ich habe auch einen radikalen Erfolgszwang, weil ich von öffentlichen Geldern abhängig bin. Wenn ich mithilfe meiner Nachwuchstrainer allerdings keine Talente entwickle, macht es für mich auch keiner. Ich halte das Argument, dass Erfolgsdruck die Talententwicklung behindert, für eine Ausrede all derjenigen, die zu bequem sind, die ohne Frage vorhandenen deutschen Toptalente zu Weltklassespielern auszubilden.



Abendblatt:

Der Uhlenhorster HC gewann 2008 den Titel in der Hockey-Champions-League. Außerhalb Hamburgs dürfte das aber kaum jemand mitbekommen haben. Ärgert Sie das?

Weise:

Es ist nun mal so, dass in Deutschland alle Sportarten außer Fußball medial mehr schlecht als recht ihr Dasein fristen. Es ärgert mich aber nicht besonders. Wenn ich auf Kritik an der Programmpolitik des Fernsehens Energien verschwenden würde, müsste ich mich relativ stark verspannen.



Abendblatt:

Die Aufmerksamkeit für den Hockeysport beschränkt sich in der Regel auf eine bestimmte Klientel. Mit wie viel Zuschauern rechnen Sie, wenn am kommenden Wochenende beim UHC das Achtel- und Viertelfinale der European Hockey League ausgetragen wird?

Weise:

Das ist schwer zu sagen. Wenn Alster am Freitag um 9.30 Uhr spielt und man weiß, dass der Klub nicht gerade dafür bekannt ist, Massen anzuziehen, dürfte die Anzahl begrenzt sein.



Abendblatt:

Profitiert das Hockey denn gar nicht vom Olympiasieg?

Weise:

Wir wachsen, aber den großen Hype gibt es nicht. Wenn auf einen Schlag 200 Kinder in einen Verein strömen würden, wäre das auch gar nicht zu bewältigen. Aber das ist ein grundsätzliches Problem in Deutschland. Wir bräuchten viel mehr gute hauptamtliche Trainer. Wir wollen immer ganz oben im Medaillenspiegel stehen, investieren aber viel zu wenig in die Trainerausbildung. Im Hockey wird das zum Glück langsam besser.



Abendblatt:

Sie selbst haben den Schritt ins Berufstrainerdasein lange abgewägt, waren zuvor im Sportartikelbereich tätig. Haben Sie den Weggang aus der Wirtschaft irgendwann bereut?

Weise:

Nie. Ich hatte ja auch Erfolg, das hilft natürlich.



Abendblatt:

Apropos Erfolg. Wo waren Sie eigentlich, als Ihre Spieler nach dem Triumph von Peking das deutsche Haus auseinandergenommen haben?

Weise:

Ich war da, aber nicht mittendrin. Für mich wäre es nicht mit meinem Amt vereinbar, wenn ich mit den Spielern in den Teich gesprungen wäre.



Abendblatt:

Wie sorgen Sie dafür, dass Ihre Spieler nach den Erfolgen auf dem Boden bleiben?

Weise:

Du darfst nie vergessen, dass man im Leistungssport auch in einer Art Scheinwelt lebt. Du wohnst in einem tollen Hotel, wirst massiert, von vorne und hinten gepampert. Es ist heilsam, dann am Rande eines Turniers mal zwei Stunden durch Neu-Delhi zu fahren, wo du alle fünf Meter angebettelt wirst. Das ist eben auch Teil des wirklichen Lebens.