Der Holländer mit marokkanischen Wurzeln hat nach langer Odyssee in Hamburg ein neues Zuhause gefunden.

Hamburg. Zögernd steigt Khalid Sinouh aus dem Auto. Skeptisch betrachtet der HSV-Profi den auf den ersten Blick heruntergekommenen Hinterhof nahe der Kollaustraße, der zuvor als Treffpunkt verabredet wurde. "Wohin hast du mich denn gelockt?", fragt er mit gespielter Empörung. Doch als der 33-Jährige Sekunden später ins "Le Marrakech" eintritt, strahlen seine Augen. In dem marokkanischen Restaurant sieht es aus wie in den Geschichten aus Tausendundeiner Nacht. Der Holländer mit marokkanischen Wurzeln ist begeistert: "Manchmal erkennt man die schönen Dinge erst auf den zweiten Blick."

So oder so ähnlich lässt sich auch Khalid Sinouhs ungewöhnlicher Karriereweg beschreiben. Der Torhüter, der in sieben Vereinen in vier Ländern unter Vertrag stand, hat auf den ersten Blick keine Vita, um die ihn seine Kollegen beneiden müssten. Er war Ersatztorhüter bei mehreren Vereinen in Holland, flüchtete für ein Jahr ins Fußballniemandsland Zypern, hatte in nur einem halben Jahr in der Türkei sechs (!) verschiedene Trainer und war vor seiner Unterschrift in Hamburg mehrere Monate arbeitslos.

Und trotzdem sagt er: "Meine bisherigen Jahre als Profi waren fantastisch." So gibt er an, dass er mittlerweile fünf Sprachen (holländisch, arabisch, französisch, englisch und deutsch) fließend spreche, seine Türkisch- und Griechischkenntnisse passabel seien. Um zu beweisen, dass er keine Märchen erzählt, fängt der vierfache Nationaltorhüter Marokkos umgehend eine Unterhaltung mit dem griechischen Kellner an - natürlich auf Griechisch.

Dass Sinouh an diesem Nachmittag bei Couscous und Hühnchen im Hamburger Westen über sich und sein Leben spricht, grenzt an ein Wunder. Denn als HSV-Sportchef Dietmar Beiersdorfer im Januar zwei Tage vor Ende der Transferperiode beim lebenslustigen Holländer angerufen hatte, um die Möglichkeit eines Wechsels zu erfragen, weilte Sinouh gerade zu Verhandlungen in Südafrika. Als Beiersdorfer ein zweites Mal anrief, zögerte Sinouh keine Minute, flog nach Hamburg und unterschrieb wenig später einen Vertrag beim HSV bis zum Sommer mit zweijähriger Option für den Verein. "Nach Hamburg wäre ich auch gekommen, um den Platz zu kreiden", sagte der Torwart später.

Trainer Martin Jol machte allerdings schnell klar, dass sich HSV-Greenkeeper Hermann Schultz keine Sorgen um seinen Job zu machen braucht. Der Neuzugang soll viel mehr mit Wolfgang Hesl um einen Platz hinter Frank Rost auf der Bank kämpfen, ohne dabei Unruhe ins Mannschaftsgefüge zu bringen. "Mir ist klar, dass ich nicht automatisch die Nummer eins hier bin", sagt Sinouh.

Unruhe hat es in seinem Leben ohnehin schon genug gegeben. Der zweifache Familienvater, dessen Frau in Amsterdam als Chefredakteurin bei einer Zeitschrift von Frauen über Spielerfrauen ("Fabulous Football") arbeitet, erzählt, wie er als 19-Jähriger gegen den Willen seiner Eltern sein Wirtschaftsstudium abbrach, um sein Glück als Fußballprofi zu suchen. Wirklich gefunden hat er es erst fünf Jahre später in Waalwijk, wo er von Trainer Foppe de Haan an seinem ersten Tag mit dem damals ebenfalls neuen Ruud van Nistelrooy verwechselt wurde. Und während van Nistelrooy in den Folgejahren bei Manchester United und Real Madrid auf Torejagd ging, ließ sich Sinouh auf eine Fußball-Odyssee ein, die ihn über Nikosia (Zypern), Alkmaar (Niederlande), Kasimpasaspor (Türkei) schließlich bis nach Hamburg führte. Seine Familie blieb in der Zeit in Holland, denn schließlich wisse man nie, wo man im nächsten Jahr spiele.

"Manchmal ist das Geschäft Fußball wirklich krank", sagt Sinouh in Erinnerung an den einen oder anderen Vereinspräsidenten, der ihn mit falschen Versprechungen zu einem Klub gelockt hatte. So war er sich einmal bereits mit einem Vereinsfunktionär einig, erfuhr dann aber aus den Medien, dass der Klub statt seiner einen argentinischen Torhüter verpflichtet hatte.

Trotz allem würde er sich im Gegensatz zu seinen Eltern freuen, wenn sein sechsjähriger Sohn Novell mal in seine Fußstapfen tritt. "Man soll das machen, was man am besten kann", sagt Sinouh, der heute weiß, dass man die schönen Dinge oft erst auf den zweiten Blick erkennt.


Hoffenheims Demba Ba, Chinedu Obasi und Sejad Salihovic meldeten sich für das HSV-Spiel (Sa., 15.30 Uhr) fit, die Einsätze von Hamburgs Mladen Petric und Guy Demel sind dagegen fraglich.