Der Brasilianer spricht über sein angekratztes Image, die Probleme mit seinem Nachbarn und Oliver Kahn als möglichen 04-Manager.

Gelsenkirchen. Wie ein "gemeiner Gnom" sieht Rafinha nun wirklich nicht aus. Dabei hatte Bochums Mimoun Azaouagh den 1,72 Meter großen Brasilianer als genau so einen bezeichnet, weil ihm die Spielweise des giftigen Außenverteidigers nicht passte. Abseits des Platzes wirkt Rafinha wie ein anderer Mensch, lächelt bei der Begrüßung, bestellt sich einen Cappuccino und entschuldigt sich umgehend für die Verspätung. Ziel des Gespräches muss es also sein, herauszufinden, wer dieser "gemeine Gnom" nun wirklich ist.


Abendblatt:

Senhor Rafinha, in einigen Zeitungen wurden Sie als "miesester Typ der Liga", "Buhmann" oder "unbeugsamer Trotzkopf" beschrieben. Sind Sie wirklich so schlimm?

Rafinha:

Wer das schreibt, der kennt mich nicht. Ich habe kein Verbrechen begangen, mich nie öffentlich betrunken oder geschlagen, habe auch auf dem Platz nie einen Gegenspieler schwer verletzt. Ich weiß also nicht, warum so etwas über mich geschrieben wird.



Abendblatt:

Ärgert Sie Ihr Image?

Rafinha:

Überhaupt nicht. Ich weiß ja, dass ich ein ganz anderer Mensch bin, als der ich manchmal dargestellt werde. Bremens Diego hat ähnliche Sorgen wie ich. Die ganzen Dinge, die über ihn berichtet wurden, sind genauso wenig wahr wie all die Dinge, die über mich berichtet wurden. Es ärgert mich nicht, aber es macht mich traurig, wenn solche Lügen verbreitet werden.



Abendblatt:

Die ganzen Berichte über Ihre lautstarken Samba-Feiern sind also auch alle erlogen?

Rafinha:

Ich liebe es zu feiern, aber das ist doch kein Verbrechen. Wenn ein deutscher Spieler das Gleiche machen würde wie ich, würde sich auch niemand darüber aufregen. Und wenn ich zuhause feiere, dann nie kurz vor einem Spiel. Meine Leistung hat in jedem Fall darunter bisher nicht gelitten.



Abendblatt:

Ein Nachbar soll Anzeige gegen Sie erstattet haben.

Rafinha:

Das stimmt, aber leider fragt niemand nach den wahren Gründen. Ich verstehe mich bestens mit meinem rechten und mit meinem linken Nachbarn. Aber zwei Häuser weiter wohnt ein Mensch, der offenbar Spaß daran hat, Fotos von meinen privaten Feiern an irgendwelche Zeitungen zu verkaufen. Der legt sich auf die Lauer, versteckt sich wie ein Paparazzo und fotografiert mich dann in meinem Privatleben. Das ist doch krank!



Abendblatt:

Wollten Sie deswegen nicht sogar umziehen?

Rafinha:

Einerseits wollte ich das, aber anderseits will ich nicht vor einem einzigen Menschen weglaufen. Irgendwie tut mir der Typ auch Leid. Vielleicht ärgert ihn, dass ich so ein gutes Leben habe. Ich bin gesund, habe eine tolle Familie, viele Freunde, einen gut bezahlten Job, der mir auch noch Spaß macht. Das ist wohl alles ein bisschen viel für ihn, was sehr schade ist, weil ich mich mit allen anderen Nachbarn in meiner Straße sehr gut verstehe.



Abendblatt:

Als was für einen Ort beschreiben Sie Ihren brasilianischen Freunden Deutschland?

Rafinha:

Hier ist einfach alles anders als in Brasilien: das Wetter, die Kultur, die Leute. Als Brasilianer muss man sich an all die Unterschiede erst mal gewöhnen. Jedes Land hat seine Besonderheiten - und die sind schwer zu beschreiben. Ich hatte schon mehr als 30 Freunde aus Brasilien zu Besuch in Deutschland, und den meisten hat es gut gefallen.



Abendblatt:

Sind Sie hier glücklich?

Rafinha:

Mal abgesehen von dem einen Nachbarn und dem Wetter bin ich sehr glücklich hier. Immerhin lebe ich schon seit vier Jahren in Deutschland.



Abendblatt:

Was brauchen Sie um rund um glücklich zu sein?

Rafinha:

Nicht viel. Ich muss nur gesund sein, dann ist alles andere egal. Besonders glücklich hat mich im Februar die Geburt meiner Tochter Maria Luiza gemacht. Sie ist das größte Glück, das mir passieren konnte. Wenn ich die Kleine in meinem Arm halte, dann kann ich alle anderen Probleme sofort vergessen.



Abendblatt:

Mehr als genug Probleme hat derzeit ihr Klub. Was ist los in dieser Saison mit Schalke?

Rafinha:

Ich weiß es auch nicht so genau. Wir spielen teilweise gar nicht so schlecht, verlieren aber viel zu viele Punkte. Besonders zu Hause haben wir sehr häufig nur Unentschieden gespielt.



Abendblatt:

Letzte Woche wurde Manager Andreas Müller entlassen, diese Woche trat Bordon als Kapitän ab, und auch Trainer Fred Rutten steht in der Kritik. Wer hat Schuld an der Misere?

Rafinha:

Ich kann nur für mein Team sprechen, und muss sagen, dass wir Fehler gemacht haben. Sonst würden wir nicht auf dem achten Platz stehen.



Abendblatt:

Jetzt ist Oli Kahn als Müllers Nachfolger im Gespräch. Trauen Sie ihm die Aufgabe als Schalke-Manager zu?

Rafinha:

Ich kenne Oliver Kahn nur als Spieler. Dort war er sehr erfolgreich, stand für Ehrgeiz und Professionalität. Seine Erfolge stehen für sich.



Abendblatt:

Vor der Saison haben Sie gesagt, dass auch Schalke jeden schlagen könnte, solange die Einstellung stimmt. Warum stimmt die Einstellung nicht?

Rafinha:

Das ist das Problem. Wir haben ein Einstellungsproblem - und wenn wir das nicht lösen, werden wir die oberen Tabellenplätze nie erreichen.



Abendblatt:

Der Trainer ist für die Einstellung verantwortlich.

Rafinha:

Wir müssen also unsere Einstellung ändern, nicht er.



Abendblatt:

Wechseln Sie, wenn Schalke sich nicht für den Uefa-Cup qualifiziert?

Rafinha:

Es ist doch ganz einfach: Ich bin brasilianischer Nationalspieler, und wenn ich das auch bleiben möchte, dann muss ich mit meinem Klub international spielen, am besten in der Champions League. Deswegen will ich jedes Jahr in der Champions League spielen, am liebsten mit Schalke.



Abendblatt:

Neben einigen internationalen Vereinen soll auch Bayern Interesse haben. Könnten Sie sich einen Wechsel nach München vorstellen?

Rafinha:

München ist eine schöne Stadt, und natürlich ist es ein schönes Gefühl, dass der größte Verein der Bundesliga Interesse an mir hat.



Abendblatt:

Am Sonntag spielen Sie zunächst mal mit Schalke gegen den HSV. Glauben Sie, dass Hamburg noch eine ernsthafte Chance auf den Titel hat?

Rafinha:

Na klar. Oben in der Tabelle sind doch alle Mannschaften dicht beieinander. Da kann noch jeder Meister werden. Und der HSV hat in dieser Saison eine wirklich gute Mannschaft.



Abendblatt:

Haben Sie bereits mit Alex Silva über das Duell gesprochen?

Rafinha:

Eigentlich wollten wir in dieser Woche telefonieren, aber noch haben wir nicht gesprochen. Ich freue mich, ihn am Sonntag zu treffen, schließlich sind wir seit fünf Jahren gute Freunde.



Abendblatt:

Silva scheint sich in Hamburg sehr wohl zu fühlen, warum konnte sich Thiago Neves beim HSV nicht durchsetzen?

Rafinha:

Als Brasilianer fühlt man sich wohl, wenn man spielt. Ich bin seit vier Jahren auf Schalke, und seit vier Jahren bin ich Stammspieler. Wäre ich kein Stammspieler, würde ich mich nicht wohl fühlen. So geht es auch Alex Silva beim HSV. Thiago hat nicht gespielt, also hat er sich nicht wohl gefühlt.



Abendblatt:

Letzte Frage: Wie nennt man einen "unbeugsamen Trotzkopf" in Brasilien?

Rafinha:

Keine Ahnung. So einen Ausdruck gibt es bei uns nicht.



Verfolgen Sie die Partie online im Liveticker. Am Sonntag ab 17 Uhr unter: www.abendblatt.de/sport