Es ist gerade zwei Wochen her, da erklärten die Europäische Handball-Föderation (EHF) und das Präsidium der Handball-Bundesliga (HBL) das Thema...

Es ist gerade zwei Wochen her, da erklärten die Europäische Handball-Föderation (EHF) und das Präsidium der Handball-Bundesliga (HBL) das Thema Schiedsrichterbestechung par Ordre de Mufti für beendet. Alles nur Gerüchte, böse dazu. Die EHF schloss am Wochenende ihr Büro. Nichts hören, nicht sehen. Und sagen schon gar nichts.

Seitdem vergeht kein Tag, an dem nicht neue Korruptionsfälle aufgedeckt werden. Gestern erzählten die deutschen Referees Holger Fleisch und Jürgen Rieber, dass ihnen im Januar 2006 der russische Klub Lada Togliatti auf der Herren-Toilette 20 000 Euro für einen Sieg im Damen-Champions-League-Spiel gegen den dänischen Verein Slagelse DT geboten habe. Sie lehnten ab und meldeten den Vorfall schriftlich der EHF. Bis heute ist nichts geschehen. Das war bisher die Regel in der Wagenburg Handball-Welt.

Nun verspricht der europäische Verband brutalstmögliche Aufklärung, und die Handball-Bundesliga will einen Ombudsmann einsetzen, um verlorenes Vertrauen bei Sponsoren, Zuschauern und Fernsehanstalten zurückzugewinnen. Wie Verbände, die über Jahrzehnte die Realität wider besseres Wissen ausgeblendet haben, den selbst bewässerten Sumpf trocken legen wollen, bleibt ihr Geheimnis.

Der Sündenfall, nicht nur im Handball, begann mit der Einführung der Europapokale, seit an Siegen und Niederlagen nicht nur Ehre, sondern auch Arbeitsplätze, nationales Prestige und später sogar Bilanzgewinne hingen. Seitdem gehört die Einnordung von "Unparteiischen" und - eher selten - Spielern zum Tagesgeschäft. Wie ein polnischer Volleyball-Schiedsrichter in Stettin mit Devisen und einem Adidas-Trainingsanzug von HSV-Funktionären Ende der 1980er-Jahre gefügig gemacht wurde, haben Abendblatt-Reporter persönlich miterlebt. Spieler des Handballklubs VfL Gummersbach haben uns aus vergangenen glorreichen Zeiten berichtet, wie sie bei Europapokaltreffen schon nach wenigen Minuten ahnten, dass "die Schiedsrichter einen sehr schönen Abend gehabt haben müssen". Und aus der Basketballszene ist uns bekannt, dass bis heute im Süden und Osten Europas unmoralische Angebote weiter ihre Empfänger finden. Öffentlich darüber reden wollte bislang niemand. Ein Kartell des Schweigens existiert nicht nur im Radsport und beim Thema Doping. Alle lieben den Verrat, aber eben niemand den Verräter.

Angesichts dieser Strukturen können nur unabhängige Gremien - wie Gerichte - der Wahrheitsfindung dienen. Die Politik ist hier gefordert. Sie hat Mittel und Wege, Druck auf die Verbände auszuüben. Korruption ist ein Delikt, das der Deutschland AG Schaden zufügt, nicht nur dem Ansehen des deutschen Sports.