Ingo Werth läuft innerhalb von sieben Wochen Marathons in Sibirien und in der Sahara

Hamburg. In einem Kühlhaus mitten im Industriegebiet von Reinbek steht ein Mann auf einem Stepper und trainiert. 24 Grad unter Null ist es kalt, doch der Mann spürt die eisigen Temperaturen nicht. Er ist freiwillig im Kühlhaus. Der Mann ist nicht verrückt, er hat ein Ziel. Am 6. Januar 2003 will er im sibirischen Omsk den Eis-Marathon (22 Kilometer Laufstrecke) überstehen. Darauf bereitet er sich intensiv vor.

Der Mann heißt Ingo Werth und ist 43 Jahre alt. Wenn er nach dem Training in sein gemütliches Wohnzimmer in Bergedorf zurückkehrt, kocht er sich zunächst einen heißen Tee. "Aber ich mag es eigentlich lieber kalt", sagt er. Die Gedanken an Sibirien können ihn deshalb auch nicht schocken.

Als Werth Ende der 80er-Jahre erstmals beim Hanse-Marathon in Hamburg zuschaute, reifte in ihm der Wunsch, selber einmal dort teilzunehmen. 1998 lief er in Berlin seinen ersten Marathon, neun sind es bis heute. In Sibirien war er noch nie. Wie kommt man auf die Idee, im Eis zu laufen?

"Ich hatte vor zwei Jahren über zwei Hamburger gelesen, die in Omsk dabei waren. Da war klar, dass ich das auch machen will", erklärt Werth. Die erwarteten Temperaturen - bis zu 40 Grad minus sind drin - schrecken ihn nicht. "Ich habe großen Respekt vor der Strecke, aber keine Angst. Sonst könnte ich zu Hause bleiben. Ich fühle mich bestens vorbereitet, deshalb glaube ich, dass mir nichts passieren kann."

Zur Vorbereitung trainiert Werth im besagten Kühlhaus. Er testet dort, welche Kleidung er benötigt, wie sich die Kälte auf seinen Körper auswirkt. Mindestens jeden zweiten Tag trainiert er dort, rund eine Stunde. Dazu jeden Mittag zwölf Kilometer an der frischen Luft. Er ist wirklich gut vorbereitet. Auf Sibirien zumindest. Aber das ist ja noch längst nicht alles.

Nach der Rückkehr aus dem Eis folgt der Hitzeschlag. Werth wird am 24. Februar am Sahara-Marathon (Beistück), einem Wohltätigkeitslauf über die klassischen 42,195 km, teilnehmen. Innerhalb von sieben Wochen muss sein Körper so Temperaturunterschiede von bis zu 80 Grad überstehen. Um sich darauf vorzubereiten, wird der KfZ-Mechaniker in der Lackierhalle seiner eigenen Werkstatt trainieren, die er auf 60 Grad aufheizen kann.

Versteht Werth es, wenn andere Menschen ihn für verrückt halten? "Ich habe schon viele Dinge gemacht, die andere für verrückt gehalten haben. Deshalb stört mich das Gerede nicht", sagt er. Viele, denen er seine Beweggründe erklärt habe, hätten ihn verstanden. Und wer - wie seine Freundin - die Idee ein wenig durchgeknallt findet, dem nimmt er das nicht übel. "Da ist sicherlich auch ein Teil Sorge mit dabei. Aber ich bin unter ärztlicher Beratung, höre zudem auf die Signale meines Körpers. Niemand braucht sich Sorgen um mich zu machen", so Werth.

Was ihn treibt, sind auch nicht sportliche Bestleistungen. "Es geht nicht um irgendeine Zeit. Mir geht es ums Gemeinschaftsgefühl, darum, die Menschen vor Ort kennen zu lernen. Ich freue mich riesig auf beide Reisen", sagt er und nimmt einen Schluck Tee aus der roten Che-Guevara-Tasse, die ein wenig über seinen Charakter erahnen lässt. Ein Kämpfer, einer, der Ziele hat und dafür einsteht. Einer, der verzichten kann. Sein sonst so geliebtes Bier ist in der Vorbereitung absolut tabu.

Rund 2000 Euro werden ihn die Reisen insgesamt kosten, ein Teil davon wird - wie die Ausrüstung - von Sponsoren abgedeckt. Werth wird in Sibirien einer von zwei, in der Sahara der einzige Hamburger Läufer sein. Seine Freundin und die 18-jährige Tochter werden ihn aus Zeitgründen nicht begleiten können. In der Firma müssen sein Bruder und der Kompagnon einen Schlag mehr reinhauen.

"Jeder hat seinen Weg, Ruhe zu finden. Ich finde sie beim Laufen. Laufen hat viel mit Konzentration zu tun, es ist wie eine Reinigung für die Seele", sagt Werth. Das klingt nicht mehr pathetisch, wenn man weiß, was Ingo Werth nach den beiden Extrem-Läufen tun wird. Im April startet er beim Hamburger Marathon.