Die Affäre um Manipulationsvorwürfe gegen Handball-Rekordmeister THW Kiel geht offenbar in die nächste Runde. „Es sind neue Informationen da, die wir alle noch nicht kannten. Wir werden in Kiel und bei den Rhein-Neckar Löwen auf jeden Fall noch einmal nachfragen“, erklärte Frank Bohmann, Geschäftsführer der Handball-Bundesliga.

Neuss. Handball-Rekordmeister THW Kiel sieht sich neuen massiven Manipulationsvorwürfen ausgesetzt. Nachdem die Handball-Bundesliga (HBL) und der Europäische Verband EHF den Fall offiziell bereits zu den Akten gelegt hatten, brachte das Nachrichtenmagazin Spiegel am Wochenende konkrete Zahlen auf den Tisch. Der THW bestreitet auch die neuen Vorwürfe und spricht von "bösartigen Gerüchten".

Die Klub hat in diesem Zusammenhang nach einem Bericht der Kieler Nachrichten (Montags-Ausgabe) die Kieler Staatsanwaltschaft gebeten, alle erforderlichen Ermittlungsmaßnahmen einzuleiten. "Der THW Kiel wird alles zur Unterstützung der Ermittlung Notwendige beitragen", sagte THW-Gesellschafter Georg Wegner.

Manager Uwe Schwenker will rechtliche Schritte einleiten gegen Personen, die solche "verleumderische Gerüchte erfinden oder verbreiten". Um sich in vollem Umfang gegen die Anschuldigungen zu wehren, hat Schwenker den THW um Urlaub gebeten. "Dem haben wir natürlich zugestimmt", sagte Wegner den Kieler Nachrichten.

Bei der HBL rief der Bericht des Spiegel unterschiedliche Reaktionen hervor. "Die Anzahl der Spiele und der Betrag sind für uns neu", sagte Geschäftsführer Frank Bohmann unmittelbar nach Bekannwerden der Vorwürfe am Samstag und kündigte bereits neue Nachforschungen an. Ganz anders äußerte sich die HBL dann plötzlich am Sonntag, als Präsident Witte nach einer Telefonkonferenz des Präsidiums erklärte: "Wir werden keine weiteren Schritte einleiten. Wir sind zu dem Ergebnis gekommen, dass nach wie vor keine belastbaren Fakten vorliegen."

Auch hätten sich die Zahlen nicht verändert, der Spiegel habe nur über Dinge berichtet, die bereits im Verlauf der Woche erörtert wurden. "Und der Spiegel hat offensichtlich auch keine Unterlagen oder Belege", sagte Witte.

Das Magazin stützt sich auf Informationen aus dem Umfeld der Rhein-Neckar Löwen. Demnach existiert ein protokollierter Beschluss der Löwen-Gesellschafter, in dem diese davon ausgehen, dass Schwenker und der frühere THW-Trainer Noka Serdarusic Schiedsrichterbestechungen begangen haben sollen. Bei den Mannheimern will die HBL deshalb nun noch mal nachhören.

Nach Recherchen des Spiegel soll der THW, der am Samstag trotz einer 33:35-Niederlage bei Titelverteidiger Ciudad Real als Gruppenerster den Viertelfinaleinzug in der Champions League perfekt machte, bei mindestens zehn Champions-League-Spielen Schiedsrichter bestochen und sich auch den Finalsieg in der Königsklasse 2007 über die SG Flensburg-Handewitt mit 96.000 Euro erkauft haben.

Schwenker habe bei einem Treffen mit einem Löwen-Gesellschafter Bestechungen eingeräumt. "Diese Bestechungen seien einvernehmlich zwischen Herrn Schwenker und Herrn Serdarusic vorgenommen worden", zitiert der Spiegel aus dem Beschluss. Der Manager habe einige Wochen nach dem Champions-League-Erfolg bei einem Abendessen auf Mallorca praktisch die Bestechungen zugegeben und sich damit gebrüstet. Auch im vergangenen Jahr sollen es die Kieler mit Bestechung im Finale gegen Ciudad Real versucht haben - die Schiedsrichter hätten aber das Geld des THW abgelehnt, nachdem der Gegner ihnen zuvor gekommen sei.

Der THW weist alle Vorwürfe in einer von Schwenker unterzeichneten Erklärung zurück. Es sei "falsch und frei erfunden, dass Uwe Schwenker gegenüber einem Gesellschafter der Rhein-Neckar Löwen Bestechungen bestätigt haben soll."

Serdarusic, der bislang ebenfalls sämtliche Manipulationen abgestritten hat, habe laut Spiegel bei einem weiteren Treffen erklärt, er habe Kenntnisse gehabt von diversen Bestechungsversuchen und vollzogenen Bestechungen, und er habe teilweise mitgewirkt, indem er Mittelsmänner nannte, über die Schiedsrichter angesprochen wurden. Bei einem Treffen in Serdarusics Haus soll er angeblich auch Belege und Kontoauszüge aus den Tagen kurz vor dem Final-Rückspiel der Champions League 2007 gegen die Flensburger (29:27) präsentiert haben. Insgesamt, so soll es Serdarusic gesagt haben, seien für das Finale 96.000 Euro gezahlt worden. Das bestätigte der Beiratsvorsitzende der Löwen, Dieter Matheis, dem Spiegel in einem schriftlichen Statement.

Auch Löwen-Manager Thorsten Storm bekräftigte am Sonntagabend noch einmal die Vorwürfe. "Wir haben bei Serdarusic zu Hause gesessen und er hat Gerüchte bestätigt", sagte Storm im Eurosport-Interview und fügte an: "Das ist aber ein Thema des THW und nicht der Löwen."

Nach Angaben des THW Kiel hat auch der in Unfrieden gegangene Ex-Trainer aber keine Verbindung zu Bestechungen: "Unrichtig ist nach Kenntnis des THW Kiel auch die Behauptung, dass Noka Serdarusic an Bestechungen mitbeteiligt gewesen sein soll. Noka Serdarusic hat dem THW auf Befragen ausdrücklich bestätigt, dass er weder Bestechungen vorgenommen hat, noch daran beteiligt war."

Die in Sachen Champions League zuständige EHF hatte den Fall am Freitag für beendet erklärt und gab nach Bekanntwerden der neue Vorwürfe lediglich an, ihr Büro sei über das Wochenende geschlossen.