Deutschlands stärkster Mann, Tobias Ide aus Schwerin, spricht über seine für Außenstehende ungewöhnlichen Trainingsmethoden und den Kraftsport allgemein. Sehen Sie hier Trainingsbilder des stärksten Mannes.

Abendblatt:

Herr Ide, Sie sind 2008 Deutschlands stärkster Mann geworden und bewegen in Ihrem Sport unmenschliche Lasten wie LKW oder sogar Flugzeuge. Wie fühlt es sich an, ein Flugzeug zu ziehen?

Tobias Ide:

Die ersten Meter sind der Horror, der ganze Körper brennt und zittert. Aber wenn das Ding ins Rollen gekommen ist, dann geht es ganz einfach.



Abendblatt:

Und wie kommt man auf die Idee, so etwas zu tun?

Ide:

Das war ja nicht meine Idee, sondern die der Veranstalter bei einem Weltcup in Litauen. Dort musste ich auf dem Flughafen der Hauptstadt Vilnius eine 50 Tonnen schwere Saab 100 über 30 Meter ziehen. Das war allerdings auch das größte Objekt, das ich je bewegt habe.



Abendblatt:

Wie trainiert man so etwas?

Ide:

Ich habe natürlich kein Flugzeug irgendwo herumstehen. Ich übe in Schwerin in einer Lagerhalle mit verschiedenen Geräten, die bei Strongman-Wettkämpfen zum Einsatz kommen. Im Schnitt trainiere ich täglich zwei Stunden, Kraft und Ausdauer.



Abendblatt:

Warum tut man seinem Körper das an?

Ide:

Ich wollte schon immer der Stärkste sein, das fing schon in der Schule an. Ich war allerdings schon immer sehr kräftig gebaut, was sicherlich auch in den Genen liegt. Mein zehn Monate alter Sohn Arno wiegt auch schon 13 Kilogramm.



Abendblatt:

Und wie haben Sie gemerkt, dass Sie tatsächlich stärker sind als andere?

Ide:

Ich war DDR-Vizemeister im Judo, bin aber mit 14 zum Kraftsport gewechselt, weil mich das fasziniert hat. Irgendwann habe ich eine Wette gemacht mit einem, der war stark im Bankdrücken und hat gesagt: 'Du kannst ja nicht mal 100 Kilo drücken!' Ich hatte noch nie Bankdrücken gemacht, aber habe geantwortet: 'Ich kann es ja mal versuchen.' Das habe ich dann auch gemacht und die 100 auf Anhieb geschafft. Von da an war klar, dass ich gute Anlagen habe. 2004 habe ich als erster Deutscher mehr als 300 Kilo gedrückt, aber weil man mit Kraftsport überhaupt kein Geld verdient, bin ich 2005 zum Strongman gewechselt.



Abendblatt:

Damit wird man reich?

Ide:

Nein, aber es gibt immerhin Preisgeld, sodass man seine Ausgaben refinanzieren kann.



Abendblatt:

Sie haben es bei nationalen Titelkämpfen meist mit Konkurrenz aus Süddeutschland zu tun. Sind die Bayern stärker als wir Norddeutsche?

Ide:

Nein, aber Kraftsport ist in Bayern tatsächlich viel verbreiteter als hier. Ich kann nicht sagen, warum das so ist. Durch meinen Titelgewinn hat sich aber das Interesse im Norden verstärkt.



Abendblatt:

Sehen Sie sich da in einer Vorbild-Rolle? Immerhin sind Sie den TV-Zuschauern bekannt, weil Strongman-Wettkämpfe auf Eurosport und im DSF laufen.

Ide:

Als Vorbild sehe ich mich nicht, aber es stimmt, dass ich in der Öffentlichkeit erkannt werde. Neulich saß ich mit einem Kumpel im Hotel Atlantic, und da kam ein Herr zu mir und fragte, ob ich nicht der starke Mann aus dem Fernsehen sei. Da war ich schon überrascht, denn im Atlantic hatte ich eigentlich nicht den klassischen Strongman-Fan erwartet.



Abendblatt:

Viele werden bezweifeln, dass man einen Körper wie Ihren mit normalem Training erreichen kann. Wie oft werden Sie auf Doping kontrolliert?

Ide:

Es gibt keine regelmäßigen Trainingskontrollen, aber bei Wettkämpfen wird man vor dem Start und, im Falle eines Finaleinzugs, auch noch einmal vor der Endrunde kontrolliert.



Abendblatt:

Während der Trainingsphasen können Sie aber nehmen, was Sie wollen.

Ide:

Theoretisch ja.



Abendblatt:

Und, was nehmen Sie?

Ide:

Ich nehme gängige Nahrungs-Ergänzungsmittel, die mir mein Hamburger Sponsor Fit Food monatlich im Wert von rund 250 Euro zur Verfügung stellt. Das sind Vitamine, Aminosäuren, Omega-3-Fettsäuren, Eiweißprodukte, Zink und so etwas.



Abendblatt:

Können Sie verstehen, dass die Menschen misstrauisch sind? Wie stehen Sie zu Doping?

Ide:

Für mich ist nicht klar definiert, wo legales Doping aufhört und illegales Doping beginnt. Manche Schmerzmittel wie Aspirin, das ich vor Wettkämpfen zur Blutverdünnung nehme, oder auch Diclofenac, mit dem sich Fußballer und Handballer voll pumpen, sind legal. Für mich ist deshalb viel wichtiger, dass man jeden selbst entscheiden lässt, was er seinem Körper zumuten möchte. Wer dann erwischt wird, muss die Konsequenzen tragen.



Abendblatt:

Ist Ihr Sport sauber?

Ide:

Gegenfrage: Gibt es einen Sport, der sauber ist? Wie gesagt: Jeder soll selbst entscheiden, was er sich zumutet.



Abendblatt:

Reden wir über normale Ernährung. Was nimmt ein 140-Kilo-Koloss wie Sie zu sich?

Ide:

Das kommt darauf an, ob ich trainiere oder Pause habe. Ich habe keinen Kalorien-Richtwert, aber zwischen 6000 und 8000 Kalorien pro Tag sind die Regel. Ich esse fünf bis sechs Mahlzeiten, viel Fleisch, viel Eiweiß. Ich höre dabei auf meinen Körper, ernähre mich nach Gefühl.



Abendblatt:

Wie reagiert Ihr Körper auf die Gewichtsbelastungen, die Sie ihm zumuten?

Ide:

Sehr gut. Ich habe das Glück, sehr stabile Knochen und Sehnen zu haben. Und man sagt ja, dass Muskeln den Körper zusammenhalten. Ich hatte zwar mal Muskelfaserrisse, und bei einem Wettkampf ist mir mal eine 330-Kilo-Hantel auf das Bein geknallt. Das war dann von oben bis unten blau. Der Verschleiß im Rücken, in den Knien oder Gelenken ist bei mir bislang jedoch nicht zu spüren. Ich würde behaupten, dass ein durchschnittlicher Bundesliga-Fußballer viel häufiger verletzt ist als ich.



Abendblatt:

Ihr Körper ist großflächig mit Tattoos verziert, darunter ein lachender Buddha auf dem Bauch. Haben die Tattoos irgendeine Bedeutung, erzählen sie Ihre Lebensgeschichte?

Ide:

Nein, gar nicht. Das sind einfach Motive, die mir gut gefallen haben. Ich bin aber weder Buddhist, noch bin ich zur See gefahren. Ich hatte mir mit 17 mein erstes Tattoo stechen lassen, das war ein Tribal-Motiv, das aber verunglückt war. Das wollte ich mir wegmachen lassen, und der Tätowierer hat dann einen Teufel daraus gemacht. Das war der Beginn einer Leidenschaft, eine Bedeutung haben die Dinger nicht.



Abendblatt:

Wie wirken Sie eigentlich auf Frauen? Kommen oft welche, die gern mal Ihre Muskeln anfassen möchten?

Ide:

Früher ja, als ich noch 20 Kilo weniger hatte und richtig knackig war. Jetzt wirke ich schon fast bedrohlich auf die Damen. Allerdings habe ich eine Freundin, meine wilde Zeit ist sowieso vorbei.



Abendblatt:

Ihre sportliche Karriere allerdings noch nicht. Wovon träumt der stärkste Mann Deutschlands sportlich?

Ide:

Ich finde es schon super, dass ich der stärkste Mann Deutschlands bin. Ob ich der Stärkste der Welt werden will, weiß ich noch nicht. Dafür bräuchte ich Sponsoren, weil ich dann viel mehr trainieren müsste und nicht arbeiten könnte. Mein Ziel ist jedoch, 2009 in der Champions League einmal aufs Podest zu kommen.



Abendblatt:

Den Titel "Stärkster Mann Deutschlands" teilen Sie sich mit einem sehr prominenten Mann, dem Gewichtheber Matthias Steiner, der bei Olympia in Peking mit seinem Sieg viele zu Tränen rührte. Wer ist denn der Stärkere von Ihnen beiden?

Ide:

Das ist ein Vergleich zwischen Äpfeln und Birnen. Im Gewichtheben hätte ich gegen Steiner keine Chance, da ist er Spezialist. Im Strongman würde ich ihn schlagen, da würde er zwischen Rang sechs und zehn landen. Über diese Frage wurde bereits in diversen Internet-Foren lebhaft diskutiert. Aber eine faire Antwort darauf gibt es nicht. Vielleicht sollten wir uns wirklich mal treffen.