Heiligabend schaute dann auch noch Steffi Graf vorbei im Sportcenter der University of Nevada. Dort, wo der arme Fernando Verdasco sich gerade...

Melbourne. Heiligabend schaute dann auch noch Steffi Graf vorbei im Sportcenter der University of Nevada. Dort, wo der arme Fernando Verdasco sich gerade stählte für die neue Tennissaison, wo er unter dem Regime von Fitness-Guru Gil Reyes ächzte. "Steffi wünschte mir noch frohe Festtage - und dann verschwand sie mit dem Rest der Familie zum Skifahren", sagt Verdasco, "ich war ganz schön neidisch."

Aber die schweißtreibende Maloche in der guten alten Agassi-Tradition hat sich ausgezahlt für den 25 Jahre alten Linkshänder, der es bei den Australian Open so weit gebracht hat wie nie zuvor in seiner Tenniskarriere. Erstmals steht er in einem Grand-Slam-Halbfinale, und dort wartet sein alter Freund Rafael Nadal auf ihn, den Shootingstar des Turniers. "Wenn einer in diesem Spiel was zu verlieren hat, dann er", sagte Verdasco vor dem Showdown in der Rod-Laver-Arena (9.45 Uhr MEZ, Eurosport).

In einem Jahr, wo am anderen Ende der Welt nur die physisch stärksten Profis eine Chance haben, wo der Grand Slam-Pokalfight in brutaler Hitze zum "Überlebenskampf der Fittesten" (The Age) geworden ist, hat Verdasco mit seinem Opfergang nach Las Vegas und "härtester, schmerzlicher Maloche" unter Anleitung von Drillmeister Reyes punktgenau richtig gelegen. "Ich habe das gemacht, was auch Andre Agassi gemacht hat. Und das kann so falsch nicht sein", sagt Verdasco, der in den 14 Tagen seines US-Abstechers auch ein paar Mal mit dem legendären Champion und viermaligen Melbourne-Gewinner sprach - mal ging es ums Thema Fitness, mal um die Saisonplanung, mal um die mentale Komponente des Spiels. In Melbourne fällt auf, wie gelassen und in sich ruhend Verdasco seine Aufgaben meistert - ein Ausbund an Solidität und Selbstbewusstsein. "Er leistet sich fast keine Schwankungen", sagt der ehemalige Weltranglistenerste Jim Courier.

Ähnlich wie seinem Landsmann Feliciano Lopez war Verdasco immer wieder vorgeworfen worden, seine Tennis-Laufbahn nicht mit der gebührenden Ernsthaftigkeit zu betreiben. Oft lieferte der glühende Fan von Real Madrid Schlagzeilen nur für die bunten Blätter, als Herzensbrecher und Frauenschwarm. Die Liste verflossener Partnerinnen, spottete mancher in der Spielerlounge, sei länger als die von Titelgewinnen. Giselle Dulko, die argentinische Spitzenspielerin, war ebenso wie die spanischen Models Dafne Fernandez und Priscila de Gustin einmal die Frau an der Seite Verdascos. Zuletzt ging die Liaison mit Tennis-Schönheit Ana Ivanovic in die Brüche. "Ich habe mir Ende vergangenen Jahres vorgenommen, mein Tennis noch mal richtig zu pushen. Ich will ganz nach vorne, in die Weltspitze", sagt Verdasco, der jetzt offenbar das süße Leben als erfolgreicher Profi genießen will.

Ist er nur einer dieser Überraschungsspieler, die gerade beim komplizierten Eröffnungs-Grand Slam wie aus dem Nichts auftauchen? Oder ist das nun ein nachhaltiger Vormarsch Verdascos, des Mannes, der in Melbourne auch schon mal als "Rafa für Arme" gehandelt wird? "Die Top Ten sind allemal für ihn drin", sagt Mats Wilander, der alte Schwede, "wegen seiner außergewöhnlichen Nervenstärke. Und weil er Linkshänder ist, damit haben selbst Leute wie Federer, Djokovic oder Murray Schwierigkeiten."

Der schöne Madrilene ist jedenfalls, ohne Übertreibung, in der Form seines Lebens. Er holte schon beim Daviscup-Finale gegen Argentinien im November den entscheidenden dritten Punkt für Spanien in der "Hölle von Mar del Plata". Er stand gleich zu Saisonbeginn im Endspiel von Brisbane. Und nun geht er keineswegs als krasser Außenseiter ins Duell mit Kumpel Nadal, dem globalen Superstar und Leitwolf des spanischen Tennis. Im Schatten Nadals hat sich auch Verdasco lange sehr gern aufgehalten. Nun ist er mehr als bereit, aus diesem Schatten herauszutreten.


Der Schweizer Roger Federer erreichte durch einen 6:2, 7:5, 7:5-Sieg über Andy Roddick (USA) das Finale der Männer am Sonntag (9.30 Uhr MEZ). Im Damen-Endspiel am Sonnabend (9.30 Uhr MEZ) stehen sich die US-Amerikanerin Serena Williams (6:3, 6:4 gegen die Russin Elena Dementjewa) und die Russin Dinara Safina (6:3, 7:6 gegen ihre Landsfrau Wera Swonarewa) gegenüber. Wegen der Hitze (44,3 Grad) wurden alle Spiele bei geschlossenem Dach ausgetragen. Für heute sind ebenfalls 40 Grad vorausgesagt.