Der endlich verletzungsfreie linke Mittelfeldspieler hofft auf die Champions League und seine schnelle Rückkehr in die Nationalmannschaft.

Hamburg. "Da kann ich doch gleich mal Hallo sagen", freut sich Marcell Jansen im Eingangsbereich des Hotels Elysee. Zusammen mit dem gerade aus Mönchengladbach nach Hamburg gewechselten Marcel Ndjeng sollte eigentlich nur Mittag gegessen werden. Und plötzlich standen beide dem neuen HSV-Mittelfeldspieler Tomas Rincon gegenüber (s. Text rechts). Und wäre der Venezolaner von den HSV-Verantwortlichen nicht so schnell zum Medizincheck abgezogen worden, Jansen wäre sein erster Kontakt zur neuen Mannschaft gewesen.

Und damit hätte der Neuankömmling nicht viel falsch gemacht. Jansen zählt zu der Art Fußballprofi, den jede Mannschaft braucht. "Bodenständig und einfach", charakterisiert der Nationalspieler sich selbst und zählt seine charakterlichen Vorzüge auf. "Ich bin niemand, der sich über Materielles definiert", so Jansen, "der finanzielle Status ist mir auch bei anderen Menschen schnuppe. Ich bin einfach nett, weil ich vor jedem Menschen gleichermaßen Respekt habe." Allüren seien ihm fremd, obwohl sie ihm angedichtet wurden. "In München habe ich mir mal lange Haare wachsen lassen, einfach nur so. Und ich habe mir ein Tattoo stechen lassen, in dem ich meine Familie und mein Sternzeichen verewigt habe - und plötzlich hieß es: Jetzt dreht der Jansen schon durch."

Doch diese Wahrnehmung täuschte. Jansen ist eher der Typ Lausbub. Nie um einen passenden Kommentar und ein freches Grinsen verlegen, scheint den Linksfuß so schnell nichts zu erschüttern. "Sportlich habe ich trotz meiner jungen Jahre ja auch schon eine Menge erleben dürfen", sagt Jansen, "aber eben auch eine Menge mitmachen müssen." Verletzungen, die sich aus seiner Pubertät hinüberzogen ("Ich hatte starke Wachstumsprobleme, einen Schienbeinbruch, eine Lungenentzündung"), warfen ihn immer wieder zurück. Nach dem steilen Aufstieg vom jungen Amateur zum formstarken Leistungsträger unter Trainer Dick Advocaat bei Borussia Mönchengladbach und dem Wechsel als deutscher Nationalspieler zum FC Bayern München folgten immer wieder unfreiwillige Auszeiten. "In zweieinhalb Jahren habe ich zehn Monate gefehlt", sagt Jansen, der sich häufig dem Vorwurf ausgesetzt sah, zu verletzungsanfällig zu sein. "Dass ich das nicht bin, zeigt sich hoffentlich jetzt", frohlockt der Pferdebesitzer nach seiner ersten problemlosen Vorbereitung. "Ich merke, dass die hundert Prozent langsam wiederkommen. Ich bin wieder stabil."

Sein Trainer Martin Jol geht sogar noch etwas weiter, formuliert ein klares Kompliment: "Marcell macht uns sehr viel Freude. Er wird immer fitter, ist stark und hat riesiges Talent. Er ist genau der Spieler, den wir auf der linken Seite brauchen." Insbesondere die Variabilität, mal hinten links in der Viererkette oder davor spielen zu können, sei als besonders wertvoll einzuschätzen.

Worte, die Jansen in seiner momentanen Selbsteinschätzung bestätigen. "Gegen 1860 München war es schon okay - aber jetzt geht es erst richtig los."

Und das ausgerechnet gegen seinen letzten Arbeitgeber, den FC Bayern München. "Ich werde oft gefragt, ob mich das besonders motiviert. Aber mal ehrlich: Am Freitag unter Flutlicht die Rückrunde gegen den Rekordmeister einzuläuten - da muss man nie in München gespielt haben, um besonders motiviert zu sein." Aber es schadet auch nicht. "Das merke ich der Mannschaft an. Alle sind heiß auf den Beginn - aber alle wollen auch die tolle Hinrunde bestätigen."

Sollte das gelingen, stünde der HSV am Saisonende mit 66 Punkten sicher im internationalen Geschäft - Tendenz zur Champions League. "Das ist ein Status, den der Verein erzielen kann und muss. Als ich hergewechselt bin, hat mich die Perspektive in Hamburg überzeugt. Der HSV ist für mich gegenüber Bayern kein Rückschritt. Das spüre ich an mir selbst, an meiner physischen Präsenz." Selbst der Schritt zurück in die Nationalelf sei endlich wieder in greifbarer Nähe. "Zum Nationaltrainer hatte ich vor dem Wechsel und auch danach immer engen Kontakt. Er hat mir den Schritt auch empfohlen. Ich weiß, dass ich bei der Nationalmannschaft schnell wieder dabei bin, wenn ich meine Leistung bringe."

Jansen ist, wie er selbst betont, glücklich. Passend dazu hat er den Hausbau in seinem Heimatort Lürrip in Mönchengladbach abgeschlossen, seinen Eltern so viel zurückzahlen können. "Sie wohnen unten im Haus, haben einen schönen Garten - und ich wohne oben." Zusammen mit Freundin Julia. "Das wird erst passieren, wenn ich wieder zuhause wohne. Aber so konnte ich mich bei meinen Eltern für meine glückliche Kindheit bedanken."

Gleiches hat er jetzt beim HSV vor. Dem anhaltenden Interesse an seiner Person seit dem ersten, damals noch erfolglosen Werben 2006 hat es der HSV zu verdanken, den schnellen Außenspieler vor dieser Saison verpflichtet zu haben. "Dietmar Beiersdorfer hat den Kontakt immer aufrecht gehalten und mir ein gutes Gefühl vermittelt." Und wer Marcell Jansen kennt, der weiß, dass er solange arbeiten wird, bis er das in ihn gesteckte Vertrauen zurückgezahlt hat. Jansen: "Mal sehen, vielleicht ja schon am Freitag..."


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